Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die betriebliche Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers kann unabhängig von der Dauer des Einsatzes nur dann regelmäßige Arbeitsstätte sein, wenn der Arbeitgeber dort über eine eigene Betriebsstätte verfügt.
Normenkette
§ 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
K ist als Elektromonteur seit Mai 1974 bei X beschäftigt und seit Juli 1987 für seinen Arbeitgeber (X) im Kraftwerk Y tätig. Die mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Kosten machte K nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung geltend. Das FA stellte fest, dass K vom Arbeitgeber X in den Streitjahren Aufwendungen, ermittelt nach den Grundsätzen der sog. Einsatzwechseltätigkeit, steuerfrei erhalten hatte, und erhöhte daher die erklärten Einnahmen; es vertrat die Auffassung, dass Ks Tätigkeitsstätte in Y seine regelmäßige Arbeitsstätte sei. Dem folgte auch das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.5.2011, 1 K 2465/09, Haufe-Index 2827193, EFG 2012, 105).
Entscheidung
Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG wird nach Maßgabe der neuen Rechtsgrundsätze zur regelmäßigen Arbeitsstätte erneut prüfen müssen, ob eine Auswärtstätigkeit vorliegt oder nicht.
Hinweis
Der Lohnsteuersenat führt hier seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen einer Auswärtstätigkeit und einer solchen an der regelmäßigen Arbeitsstätte fort. Er hält an seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung fest, dass die Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer dort schon langjährig tätig ist.
1. Nachdem festgestellt worden war, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich einkommensteuerbare Zahlungen, nämlich Reisekostenerstattungen seines Arbeitgebers erhalten hatte, war deren Steuerfreiheit entscheidungserheblich. Dies richtet sich nach § 3 Nr. 16 EStG, wonach Erstattungen von Reisekosten und Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung nur steuerfrei sind, soweit sie die Pauschbeträge nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG abziehbaren Aufwendungen nicht übersteigen.
2. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Lohnsteuersenats setzen Reisekosten (Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand, Übernachtungs- und Reisenebenkosten) eine Auswärtstätigkeit voraus, d.h., dass der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) beruflich tätig wird. Und hinsichtlich der doppelten Haushaltsführung gilt noch immer die Rechtsprechung der "Mai-Urteile", dass eine Unterkunft am Ort der Auswärtstätigkeit keine doppelte Haushaltsführung begründet (BFH, Urteil vom 11.5.2005, VI R 34/04, BFH/NV 2005, 1695, BFH/PR 2005, 405).
3. Das FG hatte die neueste Rechtsprechung des Lohnsteuersenats zur regelmäßigen Arbeitsstätte noch nicht berücksichtigt. Die lässt es nicht genügen, wenn die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers liegt; das wurde gerade erst im "Outsourcingfall" entschieden und war dort ausschlaggebendes Kriterium (BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 22/10, BFH/NV 2012, 1212, BFH/PR 2012, 262). Und in Anwendung dieser Grundsätze wird es nun im zweiten Rechtsgang darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer in einem Kraftwerk des Kunden in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig ist. Dies könnte bei der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation eigentlich nur der Fall sein, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsstätte seines Kunden über eine eigene betriebliche Einrichtung verfügt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.6.2012 – VI R 47/11