Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Sowohl M als auch H sind Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Umsätze tätigen. Beide Unternehmer werden im Rahmen ihres Unternehmens und auch gegen Entgelt tätig.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um ein Reihengeschäft nach § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG, da die beteiligten Unternehmer nicht über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ausführen:
- Hersteller H aus Italien schuldet gegenüber M eine nicht aufgebaute und auch nicht an die baulichen Gegebenheiten angepasste Schrankwand – es handelt sich um eine Lieferung eines Gegenstands i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG.
- Möbelhaus M schuldet gegenüber dem L eine aufgebaute, an die baulichen Verhältnisse im Bauernhaus umfangreich angepasste Schrankwand – es handelt sich um eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG.
Reihengeschäft setzt Lieferung desselben Gegenstands voraus
Ein Reihengeschäft kann sich immer nur dann ergeben, wenn die beteiligten Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen. Be- oder verarbeitet einer der in der Reihe befindlichen Unternehmer den Gegenstand, wird der Zusammenhang des Reihengeschäfts durchbrochen.
H führt in Italien eine Beförderungslieferung aus, deren Ort nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort ist, wo die Beförderung des Gegenstands (der unaufgebauten Schrankwand) beginnt. Die Lieferung ist in Italien steuerbar, aber als innergemeinschaftliche Lieferung in Italien steuerfrei.
M verwirklicht aus dem Einkauf der Schrankwand einen innergemeinschaftlichen Erwerb:
- Der Gegenstand gelangt aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat,
- der Erwerber ist ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt und
- der Lieferer ist ein Unternehmer und auch – nach italienischem Recht – offensichtlich kein Kleinunternehmer.
Der Ort des i. g. Erwerbs ist nach § 3d Satz 1 UStG dort, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, in Flensburg. M verwirklicht deshalb einen in Deutschland steuerbaren i. g. Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG. Eine Steuerbefreiung für den i. g. Erwerb nach § 4b UStG ergibt sich nicht. M muss sich in Deutschland wegen der Besteuerung des i. g. Erwerbs erfassen lassen.
Zusätzlicher i. g. Erwerb bei Verwendung einer abweichenden USt-IdNr.
Da M gegenüber dem Lieferer mit seiner dänischen USt-IdNr. auftritt, hat er zusätzlich noch einen i. g. Erwerb nach § 3d Satz 2 UStG in Dänemark. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich für diesen i. g. Erwerb keine Vorsteuerabzugsberechtigung in Dänemark ergeben. Erst wenn der Unternehmer den dänischen Behörden nachweist, dass er den Erwerb in Deutschland ordnungsgemäß besteuert hat, kann der Erwerb in Dänemark rückgängig gemacht werden.
M führt gegenüber L eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG aus, da er den Gegenstand der Lieferung noch einer Bearbeitung unterzieht. Da es sich bei der Schrankwand um den "Hauptstoff" handelt und die Bearbeitung des Schranks dagegen nach qualitativen Gesichtspunkten in den Hintergrund tritt, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 UStG vor. Der Ort der Werklieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG und ist dort, wo sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Da der Gegenstand der Lieferung nach dem Einbau nicht mehr befördert oder versendet wird, kann keine Beförderungslieferung nach § 3 Abs. 6 UStG vorliegen.
Ohne Bearbeitung würde Beförderungslieferung vorliegen
Würde der Möbelhändler schon fertig hergestellte Möbel (z. B. Tische, Stühle etc.) aus Dänemark nach Deutschland liefern, läge eine Beförderungslieferung vor. In diesem Fall müsste zur Prüfung des Orts der Lieferung auch festgestellt werden, ob sich der Ort der Lieferung evtl. nach § 3c UStG bestimmt, wenn der dänische Lieferer die deutsche Lieferschwelle nach § 3c Abs. 3 UStG überschritten hätte und der Leistungsempfänger ohne USt-IdNr. auftritt.
Die Werklieferung des M ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und in Ermangelung einer Steuerbefreiung nach § 4 UStG auch steuerpflichtig.
Allerdings ist der Leistungsempfänger selbstständiger Landwirt und damit Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Erhält ein Unternehmer im Inland eine steuerpflichtige Werklieferung eines im Ausland ansässigen Unternehmers, wird der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG.
Unternehmereigenschaft ist ausreichend für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft
Für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft kommt es nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger die Leistung für sein Unternehmen oder für seinen Privatbereich bezieht.
L muss deshalb auf den vereinbarten Nettobetrag (nur dieser darf von dem dänischen Lieferer berechnet werden) die deutsche Umsatzsteuer mit 19 % heraufrechnen. Diese Umsatzsteuer muss L gegenüber seinem Finanzamt anmelden, ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG kann sich nicht ergeben, da der Gege...