Neue bzw. geplante Richtlinien und Verordnungen
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Michael Vellen
I. Richtlinie zum ermäßigten MwSt-Satz
Öffnung des Anwendungsbereichs der ermäßigten Steuersätze: Die Kommission hatte am 18.1.2018 den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie in Bezug auf die (ermäßigten) MwSt-Sätze (http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5335-2018-INIT/de/pdf und http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5335-2018-ADD-1/de/pdf) zusammen mit einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit einer Zusammenfassung der Folgenabschätzung (http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5335-2018-ADD-3/de/pdf) vorgelegt (vgl. EU-UStB 2018, 28). Der Vorschlag zur Modernisierung der MwSt-Sätze zielt darauf ab, den Anwendungsbereich der ermäßigten Steuersätze zu öffnen und die Entscheidung über eine konkrete Anwendung weitestgehend auf die Mitgliedstaaten zu verlagern. Er umfasst folgende Kernelemente:
- Ausweitung des Anwendungsbereichs der ermäßigten Steuersätze (mindestens 5 %) grundsätzlich auf alle Arten von Leistungen;
- Einführung der Möglichkeit zur Anwendung eines stark ermäßigten Steuersatzes (< 5 %) und eines Nullsatzes (= Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug) neben den möglichen zwei ermäßigten Steuersätzen;
- Streichung des bisher geltenden abschließenden Positivkatalogs in Anhang III MwStSystRL mit den Umsätzen, auf die die Mitgliedstaaten einen ermäßigten MwSt-Satz anwenden können;
- Einführung eines – alle 5 Jahre zu überprüfenden – Negativkatalogs von Leistungen, die nicht ermäßigt besteuert werden dürfen (Erbringung mehrwertsteuerpflichtiger Dienstleistungen gemäß der in den Art. 306–310 MwStSystRL vorgesehenen Sonderregelung für Reisebüros und Erbringung von Reisedienstleistungen durch Vermittler gem. Art. 28 MwStSystRL, Lieferung mehrwertsteuerpflichtiger Gegenstände gemäß der in den Art. 312–325 MwStSystRL vorgesehenen Sonderregelung, Lieferung mehrwertsteuerpflichtiger Gegenstände gemäß der in den Art. 333–341 MwStSystRL vorgesehenen Sonderregelung für öffentliche Versteigerungen, Lieferung von Edelmetallen, Juwelen und Schmuck, Lieferung alkoholischer Getränke, Lieferung von Tabakerzeugnissen, Lieferung, Vermietung, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen, Lieferung von Kraftstoff, Öl und Gas, Lieferung von Schmierölen, Lieferung von Waffen und Munition, Lieferung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, Lieferung von Uhren, Lieferung von Elektrogeräten, Lieferung von Möbeln, Lieferung von Musikinstrumenten, Lieferung von Kunstgegenständen, Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Erbringung von Spiel- und Wettdienstleistungen);
- Abschaffung aller Übergangsregelungen für einzelne Mitgliedstaaten ("Stand-still-Klauseln") und
- Einführung einer Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, dass diese bei der Festsetzung der Steuersätze (Normalsatz und ermäßigte Sätze) zur Aufrechterhaltung der MwSt-Einnahmen und Vermeidung übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte sicherstellen müssen, dass der gewogene mittlere Satz stets mehr als 12 % gem. Art. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 beträgt.
Nach längeren Beratungen hat der Rat dann am 5.4.2022 die Richtlinie (EU) 2022/542 zur Änderung der MwSt-Systemrichtlinie und der RL (EU) 2020/285 in Bezug auf die MwSt-Sätze verabschiedet (ABl. EU 2022 Nr. L 107, 1). Der Rat konnte unter Zugrundelegung und Berücksichtigung verschiedener Eckpunkte einen Kompromiss erzielen:
- In einem nach dem Bestimmungslandprinzip konzipierten MwSt-System spielen die MwSt-Sätze mit Blick auf den Wettbewerb und das Funktionieren des Binnenmarktes keine große Rolle mehr.
- Der rechtliche Rahmen, der die Anwendung ermäßigter MwSt-Sätze erlaubt, sollte generell mit anderen Maßnahmen der EU (z.B. im Bereich der Gesundheitspolitik und der Klimapolitik) übereinstimmen.
- Alle Mitgliedstaaten sollten gleichbehandelt werden und daher dieselben Möglichkeiten hinsichtlich der Anwendung ermäßigter MwSt-Sätze eingeräumt bekommen.
- Aus Haushaltsgründen sollte einer uferlosen Ausdehnung der ermäßigten MwSt-Sätze entgegengewirkt werden.
II. Überwiegend sofort geltende Änderungen zu den ermäßigten MwSt-Sätzen
Art. 81 Abs. 1 MwStSystRL erhält folgende Fassung:
"Die Mitgliedstaaten, die am 1.1.1993 nicht von der Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes gemäß Art. 98 MwStSystRL Gebrauch gemacht haben, können vorsehen, dass die Steuerbemessungsgrundlage bei der Inanspruchnahme der Möglichkeit nach Art. 89 MwStSystRL für die Lieferung von Kunstgegenständen i.S.v. Anhang III Nr. 26 MwStSystRL gleich einem Bruchteil des gemäß den Art. 73, 74, 76, 78 und 79 MwStSystRL ermittelten Betrags ist."
Damit wird der Verweis auf die Kunstgegenstände i.S.v. Art. 103 Abs. 2 MwStSystRL durch den Verweis auf die Kunstgegenstände i.S.v. Anhang III Nr. 26 MwStSystRL ersetzt. Hierdurch entfallen die bisherigen Einschränkungen auf den Urheber und dessen Rechtsnachfolger, da in Anhang III Nr. 26 MwStSystRL nur noch allgemein auf die Lieferung von in Anhang IX Teile A, B und C MwStSystRL aufgeführten Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und ...