Vor dem Hintergrund der offenen Fragen, die das baumgarten-Urteil in praktischer und rechtssystematischer Hinsicht hinterließ, verwunderte es nicht, dass der BFH unmittelbar nachlegte, wozu sich sehr schnell die Gelegenheit bot.
1. FG Rheinland-Pfalz v. 26.3.2019 – 3 K 1816/18
Leistung erbracht, daher Steuerentstehung: In dem Nachfolgeverfahren ging es um den Fall, dass X im (Streit-)Jahr 2012 eine steuerpflichtige Vermittlungsleistung an Y erbrachte. X und Y hatten vereinbart, dass das Honorar i.H.v. EUR 1 Mio. zzgl. Mehrwertsteuer in fünf Teilbeträgen von jeweils EUR 200t zzgl. Mehrwertsteuer gezahlt werden sollte. Die Teilbeträge waren in einem Abstand von jeweils einem Jahr fällig. Der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 zu zahlen. Die Zahlungen erfolgten wie vereinbart. Das FA ging davon aus, dass X aufgrund der in 2012 bereits vollständig erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar in diesem Jahr zu versteuern habe, und setzte die Steuer entsprechend fest.
Entgelt erst später fällig, daher temporäre Minderung der Bemessungsgrundlage: Das FG hingegen entschied, unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.10.2013, dass die Grenze der Zumutbarkeit der Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den Unternehmer überschritten sei, wenn sich Leistungserbringung und Entgeltzahlung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume erstreckten. Die Bemessungsgrundlage im Jahr 2012 sei daher gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 S. 1 UStG insoweit zu mindern als die Raten erst im Jahr 2014 hätten vereinnahmt werden können.
"baumgarten" nicht einschlägig: Die Grundsätze des Art. 64 MwStSystRL in ihrer Auslegung durch den EuGH im baumgarten-Urteil sah das FG nicht als einschlägig an, da sich die zugrunde liegenden Fälle nach seinem Verständnis in entscheidenden Details unterschieden.
Reststeuer erst bei Vereinnahmung des Entgelts: Im Jahr 2012 war nach Ansicht des FG daher lediglich die Steuer auf die in 2013 vereinnahmten EUR 200t zu entrichten gewesen, die restliche Steuer gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG hingegen erst dann, wenn das Entgelt tatsächlich gezahlt werde.
2. BFH v. 7.5.2020 – V R 16/19
Erste Frage – späteres Entstehen der Steuer bei Ratenzahlung: Der BFH, der über die eingelegte Revision zu entscheiden hat, legte den Fall dem EuGH vor und fragte, ob sich bei einer einmalig und daher nicht zeitraumbezogen erbrachten Dienstleistung der Anlass zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen i.S.v. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bereits aus der Vereinbarung einer Ratenzahlung ergebe. Vereinfacht gesagt, war die Frage also, ob es ausreiche, Ratenzahlung zu vereinbaren, damit die Steuer immer erst bei Zahlung der Raten entstehe (was der EuGH im baumgarten-Urteil ja eigentlich genau so gesagt hatte).
Unterschied zu baumgarten: Der BFH wies auch auf den Unterschied zum baumgarten-Fall hin. Während in diesem nämlich, wie gesagt, nicht nur das Entgelt später (gestaffelt) zu zahlen war, sondern auch gar nicht klar war, ob das Entgelt überhaupt zu zahlen war, ging es in dem neuen Fall X-Beteiligungsgesellschaft lediglich darum, dass es später (in Raten) zu zahlen war (was aber unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH im baumgarten-Urteil im Grunde genommen keinen Unterschied machte, da der EuGH dort den Umstand, dass die Zahlung unter einer Bedingung stand, überhaupt nicht berücksichtigt hatte).
Zweite Frage – Minderung der Bemessungsgrundlage: Für den Fall der Verneinung der ersten Frage (d.h. für den Fall, dass die bloße Vereinbarung von Ratenzahlung nicht die Steuerentstehung auf einen späteren Zeitpunkt verlagere), wollte der BFH vom EuGH wissen, ob bei einer Vereinbarung, dass das Entgelt in fünf Jahresraten zu zahlen sei, im Zeitpunkt der Leistungserbringung eine Minderung i.S.d. § 17 UStG in Betracht komme (und eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage bei der späteren Vereinnahmung).