Das Bewertungsziel in der Grundbesitzbewertung, der gemeine Wert gem. § 9 BewG, ist verfassungsrechtlich vorgegeben (BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 Ls. 2. a) = ErbStB 2007, 64 [Heinrichshofen]) und gesetzlich in § 177 Abs. 1 BewG verankert.
Der gemeine Wert i.S.d. § 9 BewG entspricht dem Verkehrswert (BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 Rz. 5 = ErbStB 2007, 64 [Heinrichshofen]; BFH v. 13.10.1983 – I R 76/79, BStBl. II 1984, 294 = juris Rz. 22; BFH v. 2.2.1990 – III R 173/86, BStBl. II 1990, 497 Ls. 1 u. unter I. 2. b). Dies ergibt sich aus § 194 BauGB, der den Begriff des Verkehrswerts (Marktwerts) inhaltlich übereinstimmend mit dem gemeinen Wert in § 9 Abs. 2 BewG definiert (BT-Drucks. 16/7918, 45):
Gemeiner Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) |
|
Verkehrswert (§ 194 BauGB) |
Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der |
<–> |
Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der |
am Bewertungsstichtag i.S.d. § 11 ErbStG |
<–> |
in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, |
im gewöhnlichen Geschäftsverkehr |
<–> |
im gewöhnlichen Geschäftsverkehr |
nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes |
<–> |
nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks |
und unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände |
ohne Berücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse |
<–> |
ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse |
<–> |
zu erzielen wäre. |
zu erzielen wäre. |
Die Bewertungsregeln des BewG sind verkehrswertorientiert auszugestalten. Die Ausgestaltung kann unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines praktikablen Steuererhebungsverfahrens sowie der gesetzessystematisch notwendigen Typisierungen und Pauschalierungen erfolgen (BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 Rz. 110 = ErbStB 2007, 64 [Heinrichshofen]). Eine gesetzliche Typisierung darf dabei jedoch keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 Rz. 96 m.w.N. = ErbStB 2007, 64 [Heinrichshofen]).
Um eine verkehrswertnahe Grundbesitzbewertung zu gewährleisten, ist zur Anpassung an die örtlichen Marktverhältnisse auf geeignete Marktanpassungsfaktoren der Gutachterausschüsse zurückzugreifen, z.B. Liegenschaftszinssätze (§ 188 Abs. 2 Satz 1 BewG) und Sachwertfaktoren (§ 191 Satz 1 BewG). Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren dienen der Berücksichtigung der allgemeinen Wertverhältnisse auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt, soweit diese nicht auf andere Weise zu berücksichtigen sind (§ 21 Abs. 1 ImmoWertV).
Beraterhinweis Wenn keine geeigneten Liegenschaftszinssätze oder Sachwertfaktoren des Gutachterausschusses vorliegen, gelten die gesetzlichen Zinssätze (§ 188 Abs. 2 Satz 2 BewG) bzw. Wertzahlen (§ 191 Abs. 1 Satz 2 BewG).
Um eine weitgehend sachgerechte (= modellkonforme) Verwendung dieser Daten zu gewährleisten, wurde das BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 in enger Anlehnung an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) v. 14.7.2021 (BGBl. I 2021, 2805) novelliert (s. vertiefend zur Angleichung des BewG an die ImmoWertV: Marquardt/Miethe, ErbStB 2023, 38). Seit dem 1.1.2022 ermitteln die Gutachterausschüsse auf Basis dieser ImmoWertV die für die Wertermittlung erforderlichen und für die Grundbesitzbewertung benötigten (Grundstücks-)Daten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 ImmoWertV).