Nachfolgend werden zunächst die allgemeinen Regelungen zur Restnutzungsdauer in der ImmoWertV vorgestellt. Anschließend wird die modelltreue Ermittlung der Restnutzungsdauer bei der Datenermittlung durch die Gutachterausschüsse und die modellkonforme Anwendung i.R.d. Verkehrswertermittlung dargestellt.
Die ImmoWertV verwendet den Begriff "bauliche Anlagen" statt "Gebäuden". Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne sind bauliche Anlagen i.S.d. ImmoWertV.
1. Allgemeines zur Restnutzungsdauer
Der 2. Abschnitt der ImmoWertV (§§ 3 bis 5 ImmoWertV) enthält Begriffsbestimmungen zu einzelnen Grundstücksmerkmalen. § 4 ImmoWertV behandelt das Alter, die Gesamtnutzungsdauer und die Restnutzungsdauer.
Die Restnutzungsdauer beschreibt nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ImmoWertV die Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung noch wirtschaftlich nutzbar ist. Sie ergibt sich i.d.R. aus der Differenz zwischen der Gesamtnutzungsdauer und dem Alter der baulichen Anlage am maßgeblichen Stichtag (§ 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV).
Die Gesamtnutzungsdauer beschreibt gem. § 4 Abs. 2 ImmoWertV die Jahre, in denen man eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung ab dem Baujahr üblicherweise nutzen kann.
Das Alter eines Gebäudes berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Kalenderjahr des maßgeblichen Stichtags und dem Baujahr (§ 4 Abs. 1 ImmoWertV). Das Baujahr ist i.d.R. das Jahr der Fertigstellung oder der überwiegenden Fertigstellung der baulichen Anlagen. Kann das Jahr der Fertigstellung nicht ermittelt werden, gilt
- das Jahr, in dem das baufachliche Zulassungsverfahren begann,
- das Jahr der Nutzungsaufnahme oder
- das geschätzte Baujahr (4.(1) ImmoWertA v. 20.9.2023).
Bei der Ermittlung der Restnutzungsdauer sind die individuellen Gegebenheiten des Wertermittlungsobjekts zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV). Dies sind bspw. durchgeführte Instandsetzungen oder Modernisierungen oder auch unterlassene Instandhaltungen des Wertermittlungsobjekts. Solche individuellen Gegebenheiten können die Restnutzungsdauer verlängern oder verkürzen (§ 4 Abs. 3 Satz 3 ImmoWertV). Modernisierungsmaßnahmen sind insb. solche baulichen Veränderungen (4.(3).2 ImmoWertA v. 20.9.2023),
- durch die in Bezug auf die bauliche Anlage Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung),
- durch die nicht erneuerbare Primärenergie eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird,
- durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird,
- durch die der Gebrauchswert der baulichen Anlage nachhaltig erhöht wird,
- durch die die bauliche Anlage erstmalig mittels Glasfaser an ein öffentliches Netz mit sehr hoher Kapazität i.S.d. § 3 Nr. 33 des Telekommunikationsgesetzes angeschlossen wird,
- durch die die allgemeinen Wohn- oder sonstigen Nutzungsverhältnisse auf Dauer verbessert werden,
- durch die neuer Wohnraum oder sonstiger Raum geschaffen wird, der dem Nutzungszweck der baulichen Anlagen dient.
Die Restnutzungsdauer von baulichen Außenanlagen oder sonstigen Anlagen richtet sich i.d.R. nach der Restnutzungsdauer der baulichen Hauptanlage – der Gebäude (4.(3).4 ImmoWertA v. 20.9.2023).
2. Modelltreue Datenermittlung durch die Gutachterausschüsse
Die Gutachterausschüsse ermitteln die für die Wertermittlung erforderlichen Daten, z.B. Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren, nach den Vorschriften der ImmoWertV (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ImmoWertV).
§ 12 Abs. 5 Satz 1 ImmoWertV macht den Gutachterausschüssen i.V.m. Anlage 1 ImmoWertV verbindliche Vorgaben zur Festlegung der Gesamtnutzungsdauer (s.u. a)) und i.V.m. Anlage 2 ImmoWertV zur Ermittlung der Restnutzungsdauer im Falle der Modernisierung (s.u. b)). Den Gutachterausschüssen werden insoweit keine Spielräume gelassen (BR-Drucks. 407/21, 98).
Da § 4 ImmoWertV die Begriffe Alter, Gesamtnutzungsdauer und Restnutzungsdauer bereits bestimmt, enthält die ImmoWertV beim Ertragswertverfahren (§§ 27 bis 34 ImmoWertV) und Sachwertverfahren (§§ 35 bis 39) keine weiteren Ausführungen zu diesen Begriffen.
a) Festlegung der Gesamtnutzungsdauer
Die Gutachterausschüsse müssen bei der Datenermittlung, die in Anlage 1 der ImmoWertV festgelegten Gesamtnutzungsdauern zugrunde legen (§ 12 Abs. 5 Satz 1 ImmoWertV):
Art der baulichen Anlage |
Gesamtnutzungsdauer |
freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser |
80 Jahre |
Mehrfamilienhäuser |
80 Jahre |
Wohnhäuser mit Mischnutzung |
80 Jahre |
Geschäftshäuser |
60 Jahre |
Bürogebäude, Banken |
60 Jahre |
Gemeindezentren, Saalbauten, Veranstaltungsgebäude |
40 Jahre |
Kindergärten, Schulen |
50 Jahre |
Wohnheime, Alten- und Pflegeheime |
50 Jahre |
Krankenhäuser, Tageskliniken |
40 Jahre |
Beherbergungsstätten, Verpflegungseinrichtungen |
40 Jahre |
Sporthallen, Freizeitbäder, Heilbäder |
40 Jahre |
Verbrauchermärkte, Autohäuser |
30 Jahre |
Kauf- und Warenhäuser |
50 Jahre |
Einzelgaragen |
60 Jahre |
Tief- und Hochgaragen als Einzelbauwerk |
40 Jahre |
Betriebs- und Werkstätten, Produktionsgebäude |
40 Jahre |
Lager- und Versandgebäude |
40 Jahre |
Landwirtschaftliche Betriebsgebäude |
30 Jahre |
Es handelt sich um Modellansätze, die nicht auf empirischen Daten basieren (ImmoWertA v. 20.9.2023 zu Anlage 1).
Die Gesamtnutzungsdauern nicht in...