Prof. Dr. Robert Rieg, Carsten Bork
5.1 Anwendung in der Praxis
Empirische Studien zur Anwendung
Es gibt nur wenige empirische Studien, die sich mit der rollierenden Hochrechnung und der Planung beschäftigen. Die meisten Studien stellen fest, dass weniger als die Hälfte der Befragten, teils auch deutlich weniger, rollierende Hochrechnungen und rollierende Planung verwenden. Hochrechnungen zum Jahresende werden sehr häufig genutzt, rollierende Hochrechnungen jedoch selten. Daraus lässt sich folgern, dass die bezüglich rollierenden Hochrechnungen angeführten Vorteile viele Unternehmen bislang nicht überzeugen konnten.
Wesentliche Erkenntnisse
Das zeigt sich auch in einer aktuellen von Horváth & Partners durchgeführten Studie: dort setzen 94 % der Studienteilnehmer in ihren Unternehmen unterjährige Hochrechnungen auf das Geschäftsjahresende ein. Rollierende (oder auch teilrollierende) Hochrechnungen sind demgegenüber deutlich seltener. Während der Einsatz und Nutzen der rollierenden Hochrechnung seit ca. 10 Jahren in der Literatur intensiv diskutiert wird, zeigt sich in der Praxis jedoch weiterhin eine relativ geringe Verbreitung – nur 14 % der Unternehmen der Studie setzen diese Form der Hochrechnung ein.
Eine teilrollierende Hochrechnung mit unterschiedlichen Hochrechnungshorizonten wird in der Planungsstudie nur von 9 % der Studienteilnehmer eingesetzt. Von den 9 % der Unternehmen mit einer solchen Hochrechnung sind jedoch über 90 % mit ihrer Hochrechnung zufrieden. Zudem wirkt sich eine solche Hochrechnung (statistisch gesehen) sehr positiv auf die Dauer des operativen Planungsprozesses aus. Diese Schlussfolgerung basiert auf der Feststellung, dass Unternehmen, die eine solche Hochrechnung nutzen, eine deutlich kürzere Planungsdauer angaben. Die Gruppe der Unternehmen mit einer teilrollierenden Hochrechnung beendet ihren operativen Planungsprozess zu 60 % innerhalb von 10 Kalenderwochen. Dagegen schließen im Durchschnitt nur 36 % der Unternehmen ihre operative Planung in diesem Zeitraum ab. Zudem sind Unternehmen mit teilrollierender Hochrechnung tendenziell zufriedener mit ihrer Hochrechnung (91 %) als im Durchschnitt (75 %).
Nur ganz wenige Unternehmen verwenden ausschließlich rollierende Planung. Die allermeisten ergänzen sie zur Jahresplanung. Die Jahresplanung dominiert also weiterhin in Unternehmen.
5.2 Herausforderungen
Herausforderungen in der Anpassung der Prozesse
Die Implementierung einer rollierenden Planung und einer rollierenden Hochrechnung stellt das Unternehmen vor Herausforderungen, die durch die folgenden kritischen Erfolgsfaktoren gemeistert werden können.
Eine zentrale Herausforderung ist die zeitliche Terminierung der einzelnen Prozessschritte der rollierenden Planung und der Hochrechnung im Rahmen des Planungskalenders. Die Terminierung ist einerseits unternehmensspezifisch andererseits stellt eine enge Taktung von Planung und Hochrechnung Unternehmen vor die Herausforderung, Kapazitäten zu den jeweiligen Zeitpunkten zur Verfügung zu haben. Für die Sicherstellung der zeitlich abgestimmten Terminierung und der dazu passenden Kapazitäten ist eine Anpassung der Strukturen und Prozesse an eine rollierende Planung innerhalb des Unternehmens notwendig.
Herausforderung Unternehmenskultur
Eine weitere Herausforderung ist die Notwendigkeit, die Unternehmenskultur zu ändern: Mitarbeiter können die Einführung rollierender Planung und Hochrechnung auch als zunehmende Überwachung und steigenden Leistungsdruck empfinden. Durch häufigere Planung, Abweichungsermittlung, Plan- und Zielanpassung mischt sich das Management im Prinzip stärker in das operative Geschäft ein. Anstatt sich mehr zu engagieren, kann es eher demotivierend wirken, sich ständig rechtfertigen zu müssen. Auch besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter keine abweichenden Meinungen mehr äußern oder wichtige Informationen zurückhalten, da sie fürchten, gemaßregelt zu werden. Rollierende Planung und Hochrechnungen scheinen besser zu funktionieren, wenn sie mit einer dezentralen Verteilung von Verantwortung und Kompetenzen einhergehen.
Neben den Führungs- und Kulturaspekten benötigt ein funktionierendes System der rollierenden Planung und Hochrechnung auch eine entsprechende Implementierung in
- Software,
- Inhalte,
- Methoden und
- Prozesse.
Alle 4 sind keine einfachen und schnell zu erledigenden Aufgaben. Es ist einfach zu fordern, sich bei den Inhalten auf Wesentliches zu beschränken. Doch welche Informationen sind wirklich wesentlich? Decken die ausgewählten Kennzahlen wirklich das ab, was es zu planen und zu kontrollieren gilt?
5.3 Vorteile
Grundidee: Unternehmen flexibler machen
Hinter dem Vorschlag, rollierende Planung und Hochrechnung einzuführen, st...