Rz. 11
In § 235 Abs. 2 BewG wird – abweichend von der Regelung in § 235 Abs. 1 BewG und damit abweichend von den §§ 221 Abs. 2, 222 Abs. 4 S. 2 und 223 Abs. 2 S. 1 BewG – aus Zweckmäßigkeitsgründen bestimmt, dass für die stehenden und umlaufenden Betriebsmittel der Stand am Ende des dem Feststellungszeitpunkt vorangegangenen Wirtschaftsjahres unter Berücksichtigung des § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8c EStDV maßgebend ist.
Stehende Betriebsmittel sind Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt sind und ertragsteuerrechtlich zum Anlagevermögen eines Betriebs rechnen.Umlaufende Betriebsmittel sind zum Verbrauch im Betrieb oder zum Verkauf bestimmt. Sie werden ertragsteuerrechtlich als Umlaufvermögen bezeichnet. Zu den Betriebsmitteln eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören die Pflanzenbestände, die Vorräte, die Maschinen und Geräte sowie die Tierbestände nach Maßgabe der §§ 241 und 242 Absatz 2 BewG (s. Kommentierung zu den stehenden und umlaufenden Betriebsmitteln in § 232 BewG, Rz. 30-32).
Der Begriff des Wirtschaftsjahres im Bewertungsrecht entspricht dem ertragsteuerrechtlichen Wirtschaftsjahr. In der Land- und Forstwirtschaft endet das Wirtschaftsjahr gem. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 S. 1 EStG regelmäßig am 30.6. eines Kalenderjahres. Abweichend von dieser gesetzlichen Regelung können die Betriebsinhaber nach § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 S. 2 EStG i. V. m. § 8c EStDV auch folgende abweichende Wirtschaftsjahre und damit Abschlusszeitpunkte wählen:
Betriebsform |
Zeitraum des Wirtschaftsjahres |
Betriebe mit einem Futterbauanteil von 80 % und mehr der Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung (§ 8c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStDV) |
1.5.-30.4. |
Betriebe reiner Forstwirtschaft (§ 8c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStDV) |
1.10.-30.9. |
reine Weinbaubetriebe (§ 8c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStDV) |
1.9.-31.8. |
ab 30.6.2020: alle land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (§ 8c Abs. 2 EStDV) bis 29.6.2020: Betriebe mit reiner gärtnerischer Nutzung (einschließlich Obstbau und Baumschulen) |
1.1.-31.12. (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) |
Die Regelung hat im reformierten Bewertungsrecht insbesondere Bedeutung für die Ermittlung der Tierbestände bei der Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung nach Maßgabe des § 241 BewG. Nach Auffassung der Finanzverwaltung hat sie des Weiteren Bedeutung für die Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft von der gewerblichen Tätigkeit, da hierdurch bei der Prüfung der Umsatzgrenzen i. S. d. R 15.5 Abs. 11 EStR 2012 die Betriebseinnahmen (ohne Umsatzsteuer) ohne weitere Korrekturen übernommen werden (s. § 232 BewG Rz. 40).
In der Gesetzesbegründung wird für das Abstellen auf die Bestände zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres außerdem angeführt, dass dies die Ermittlung der umlaufenden Betriebsmittel und die Abgrenzung der Überbestände i. S. d. § 232 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und S. 2 BewG grundsätzlich erleichtert. Da der Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres gering ist und regelmäßig nur diejenigen Vorräte umfasst, die bis zur neuen Ernte erforderlich sind, trifft dies dem Grunde nach zu. Für die Grundsteuerbewertung der umlaufenden Betriebsmittel ist dies jedoch faktisch ohne Bedeutung, da die Überbestände im Sinne einer typisierten Ertragswertermittlung nicht mehr erfasst werden (s. § 232 BewG Rz. 32). Da mit dem Ansatz des jeweiligen Reinertrags für die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen, Nutzungsarten und Nebenbetriebe i. S. d. §§, 234, 237 BewG i. V. m. den Anlagen 27-32 zum BewG das Ertragswertpotential der jeweils zur ordnungsmäßigen Bewirtschaftung gemeinhin erforderlichen stehenden und umlaufenden Betriebsmittel typisierend abgegolten ist, hat sich der Gesetzgeber – abweichend von der Einheitsbewertung (§ 35 Abs. 2 BewG) – vielmehr entschieden, auch die stehenden Betriebsmittel in die Regelung des § 235 Abs. 2 BewG einzubeziehen. Da im vorstehenden Sinne eine standardisierte Ertragsbewertung für alle Wirtschaftsgüter erfolgt, kann auf eine tatsächliche Erfassung der einzelnen stehenden und umlaufenden Betriebsmittel grundsätzlich verzichtet werden.