Rz. 16

Die Restnutzungsdauer wird im BewG nicht explizit definiert. In § 253 Abs. 2 S. 3 – 6 BewG wird lediglich die Ermittlung der Restnutzungsdauer für den Regelfall und für Sonderfälle (Verlängerung der Restnutzungsdauer nach einer Kernsanierung, Mindest-Restnutzungsdauer sowie Begrenzung der Restnutzungsdauer bei einer Abbruchverpflichtung) geregelt (Rz. 17ff.).

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 ImmoWertV bezeichnet die Restnutzungsdauer die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich wirtschaftlich noch genutzt werden kann.

Wirtschaftliche Gesichtspunkte werden bei der Bestimmung der Restnutzungsdauer im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG nur in beschränktem Umfang berücksichtigt. Der Bundesrat hielt die Berücksichtigung solcher "das Gebäudealter" (zutreffend die Restnutzungsdauer des Gebäudes) verlängernder oder verkürzender Umstände, wie eine Kernsanierung oder eine Abbruchverpflichtung, für einen nicht zu rechtfertigenden bürokratischen und administrativen Aufwand. Betroffene Eigentümer müssten in den Feststellungserklärungen entsprechende Zusatzangaben machen, z. B. zum Umfang erfolgter Sanierungen, um zu beurteilen, ob hierdurch eine Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer eingetreten ist. Auch in Anbetracht der vermutlich sehr geringen Anzahl von Fällen, in denen diese Berücksichtigung steuerrelevant wäre, sei eine solche Verkomplizierung des Bewertungsverfahrens abzulehnen.[1]

Im Interesse einer relations- und realitätsgerechten Bewertung hat der Gesetzgeber zumindest an der Verlängerung der Restnutzungsdauer nach einer Kernsanierung des Gebäudes (§ 253 Abs. 2 S. 4 BewG, Rz. 24) sowie an einer Begrenzung der Restnutzungsdauer bei einer Abbruchverpflichtung (§ 253 Abs. 2 S. 6 BewG, Rz. 29) festgehalten. Einem strukturellen Vollzugsdefizit wird durch die angeforderte Angabe einer Kernsanierung und einer Abbruchverpflichtung in der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts wirksam begegnet.[2] Eine gewisse Verlängerung der Restnutzungsdauer bewirkt auch die Regelung zur Mindest-Restnutzungsdauer in § 253 Abs. 2 S. 5 BewG (Rz. 27).

[1] S. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes v. 20.9.2019, Nr. 11 zu § 253 Abs. 2 S. 4 und 6 BewG, BR-Drs. 354/19 (B) v. 20.9.2019, 9.
[2] .A.A. Grootens, in Grootens, GrStG/BewG, zu § 253 BewG, Rz. 74.

4.1.2.1 Ermittlung der Restnutzungsdauer (Abs. 2 S. 3)

 

Rz. 17

Nach § 4 Abs. 3 S. 2 ImmoWertV wird die Restnutzungsdauer i. d. R. auf der Grundlage des Unterschiedsbetrags zwischen der Gesamtnutzungsdauer und dem Alter der baulichen Anlage am maßgeblichen Stichtag unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten des Wertermittlungsobjekts ermittelt.

Die Regelung, dass die Restnutzungsdauer i. d. R. auf der Grundlage des Unterschiedsbetrags zwischen der Gesamtnutzungsdauer und dem Alter der baulichen Anlage am maßgeblichen Stichtag zu ermitteln ist, wird durch das typisierte Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG aufgegriffen. Nach § 253 Abs. 2 S. 3 BewG ist die Restnutzungsdauer grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus der Anlage 38 zum BewG ergibt (Rz. 20) und dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt (Rz. 22). Aus Vereinfachungsgründen bestehen hierbei keine Bedenken, das Alter des Gebäudes durch Abzug des Jahres der Bezugsfertigkeit des Gebäudes (Baujahr) vom Jahr des Hauptfeststellungszeitpunkts zu bestimmen.[1]

Individuelle Gegebenheiten des Wertermittlungsobjekts, die sich auf die Restnutzungsdauer auswirken können, wie z. B. durchgeführte Modernisierungen oder unterlassene Instandhaltungen, werden in dem steuerlichen Massenverfahren zur Feststellung der Grundsteuerwerte hingegen nur mit wenigen Ausnahmen berücksichtigt (Rz. 16 und 24ff.).

 

Rz. 18-19

einstweilen frei

4.1.2.1.1 Gesamtnutzungsdauer

 

Rz. 20

Die Gesamtnutzungsdauer wird im BewG nicht explizit definiert. Nach § 4 Abs. 2 ImmoWertV bezeichnet die Gesamtnutzungsdauer die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung vom Baujahr an gerechnet üblicherweise wirtschaftlich genutzt werden kann.

Für das Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG richtet sich die typisierte (wirtschaftliche) Gesamtnutzungsdauer grundsätzlich nach der Grundstücksart i. S. d. § 249 BewG und den in der Anlage 38 zum BewG ausgewiesenen Gebäudearten. Für alle Wohngrundstücke (Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum) ist hiernach von einer wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren auszugehen. Dies gilt unabhängig davon, ob im Gebäude enthaltene Räume (z. B. Verkaufsräume oder Büros) für Zwecke genutzt werden, für die eine abweichende wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer anzunehmen wäre.[1]

Bei der Festlegung der gesetzlichen Gesamtnutzungsdauern im Rahmen des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019[2] erfolgte eher eine Orientierung an den Obergrenzen der in Anlage 3 der Sachwertrichtlinie vom 5.9.2012[3] angegebenen Orientier...

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