Rz. 19

Wenngleich zwischenzeitlich einige Länder im Bereich des Grundvermögens auf der Grundlage der sog. Länderöffnungsklausel für die Grundsteuer nach Art 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG abweichende landesrechtliche Reglungen getroffen haben, enthält das bundesgesetzlich geregelte Bewertungsgesetz für nach allen 16 Ländern differenzierte durchschnittliche Nettokaltmieten.

 

Rz. 20

Nach § 250 Abs. 2 BewG sind die sog. Wohngrundstücke im Ertragswertverfahren nach den §§ 252257 BewG zu bewerten. Infolgedessen sind die durchschnittlichen Nettokaltmieten in der Anlage 39 zum BewG nach den 3 Grundstückarten Einfamilienhäuser (§ 249 BewG Rz. 18ff.), Zweifamilienhäuser (§ 249 BewG Rz. 23) und Mietwohngrundstücke (§ 249 BewG Rz. 25) differenziert. Für die Ermittlung des Rohertrags bei Wohnungseigentum (§ 249 BewG Rz. 27) sind gem. Teil I. der Anlage 39 zum BewG die Nettokaltmieten für Mietwohngrundstücke anzuwenden.[1]

 

Rz. 21

Die Differenzierung der monatlichen durchschnittlichen Nettokaltmieten nach 3 Wohnflächengruppen (unter 60 m², ab 60 m² bis unter 100 m² sowie 100 m² und mehr Wohnfläche) trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, dass am Wohnungsmarkt grundstücksartbezogen für kleinere und neuere Wohnungen regelmäßig höhere monatliche Nettokaltmieten je m² Wohnfläche als für größere und ältere Wohnungen erzielbar sind.

Nach Ergebnissen des Mikrozensus 2018 des Statistischen Bundesamtes[2] hält der langfristige Trend in Deutschland zu kleineren Haushalten an. Die Zahl der Einpersonenhaushalte in Deutschland ist seit 1991 um 46 % gestiegen. Damit lebten rund 17,3 Mio. Menschen oder etwa jede fünfte Person in Deutschland in einem Einpersonenhaushalt. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage nach kleineren Wohnungen am Wohnungsmarkt.[3]

Abgesehen von den sanierten Altbauwohnungen in zentraler innerstädtischer Lage punkten neuere Wohnungen gegenüber älteren Bestandsimmobilien, insbesondere durch eine bessere und modernere Ausstattung und mit einem niedrigeren Energieverbrauch. Teure Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen sind zeitnah nicht zu erwarten oder fallen noch unter die Gewährleistung.

Bei Wohngrundstücken mit mehr als 1 Wohnung (Zweifamilienhaus, Mietwohngrundstück) ist jede Wohnung in eine der 3 Wohnflächengruppen einzuordnen.[4] Die Wohnflächen von mehreren Wohnungen einer Wohnflächengruppe sind zusammenzufassen und insgesamt der Wohnflächengruppe zuzuordnen.

 
Praxis-Beispiel

Mietwohngrundstück mit mehreren Wohnungen:[5]

Ein Mietwohngrundstück besteht aus 1 Gebäude mit insgesamt 5 Wohnungen:

(Wohnung 1 = 73 m² / Wohnung 2 = 55 m² / Wohnung 3 = 128 m² / Wohnung 4 = 62 m² / Wohnung 5 = 45 m²)

Für die Ermittlung des Rohertrags sind folgende Einteilungen vorzunehmen:2

  • Wohnungen (Wohnungen 2 und 5) gehören mit einer Gesamtfläche von 100 m² zur Wohnflächengruppe von unter 60 m² Wohnfläche.
  • 2 Wohnungen (Wohnungen 1 und 4) gehören mit einer Gesamtfläche von 135 m² zur Wohnflächengruppe von 60 m² bis unter 100 m² Wohnfläche.
  • 1 Wohnung (Wohnung 3) gehört mit einer Wohnfläche von 128 m² zur Wohnflächengruppe mit einer Wohnfläche von 100 m² und mehr.
 
Hinweis

In der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts können mehrere Wohnungen in einer Wohnflächengruppe zusammengefasst werden. Es genügt, wenn für eine Wohnflächengruppe die Anzahl der Wohnungen und die gesamte Wohnfläche für diese Wohnungen angegeben wird.

Mit Bezug auf die Angabe "Wohnfläche (je Wohnung)" in der Fassung der Anlage 39, Teil I., zum BewG vor der Änderung durch das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2021.[6] hatte der Gesetzgeber klargestellt, dass die Mietansätze in der Anlage 39 zum BewG auch für Wohnflächen, die den Wohnungsbegriff nicht erfüllen, Anwendung finden.[7] In Betracht kommen insoweit insbesondere Wohnflächen, die aufgrund der fehlenden Mindestgröße von 20 m² oder des fehlenden selbstständigen Zugangs den Wohnungsbegriff i. S. d. § 249 Abs. 10 BewG (§ 249 BewG Rz. 37) nicht erfüllen. Nach der Verwaltungsauffassung sind für Wohnräume, die keine Wohnungen darstellen (z. B. Wohnräume in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses), die für Wohnungen bis zu einer Größe von 60 Quadratmetern maßgebenden Mieten anzusetzen.[8]

Hinsichtlich des Begriffs Wohnfläche wird auf Rz. 30f. verwiesen.

 

Rz. 22

Die durchschnittlichen Nettokaltmieten nach der Anlage 39 zum BewG sind des Weiteren nach Baujahrgruppen differenziert.

Als Baujahr ist grundsätzlich das Jahr der Bezugsfertigkeit des Gebäudes anzusehen. Bei einem kernsanierten Gebäude ist zur Einordnung des Gebäudes in die jeweilige Baujahrgruppe auf ein fiktives Baujahr abzustellen, das sich aus dem Jahr der Kernsanierung abzüglich 8 Jahre (10 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren) ergibt (§ 253 BewG Rz. 24, 25).[9]

 
Hinweis

Bei Gebäuden, die bis 1948 erbaut worden sind, ist die Erfassung des konkreten Baujahrs für die Feststellung der Grundsteuerwerte entbehrlich.[10] Aus Vereinfachungsgründen ist daher vom Steuerschuldner in der Feststellungserklärung nur die Angabe e...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge