Rz. 12
Im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG werden die von den örtlichen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte ermittelten und veröffentlichten Liegenschaftszinssätze (Rz. 10) aus Vereinfachungs- und Automationsgründen nicht unmittelbar herangezogen, sondern es werden grundstücksartbezogen durchschnittliche marktübliche Liegenschaftszinssätze gesetzlich vorgegeben.
Nach § 256 Abs. 1 S. 2 BewG gelten bei der Bewertung der Wohngrundstücke im Ertragswertverfahren grundsätzlich folgende Zinssätze:
- 2,5 % für Ein- und Zweifamilienhäuser,
- 3,0 % für Wohnungseigentum,
- 4,0 % für Mietwohngrundstücke mit bis zu 6 Wohnungen und
- 4,5 % für Mietwohngrundstücke mit mehr als 6s Wohnungen.
Diese Zinssätze gelten für die gesamte wirtschaftliche Einheit. Dies gilt auch dann, wenn sie aus verschiedenen selbständigen Gebäuden besteht, für die losgelöst von der wirtschaftlichen Einheit eine andere Grundstücksart einschlägig wäre. Hinsichtlich des Wohnungsbegriff s. § 249 Abs. 10 BewG (§ 247 BewG Rz. 37).
Die nach § 256 Abs. 1 S. 2 BewG normierten Liegenschaftszinssätze weichen von den im Rahmen des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 bestimmten Liegenschaftszinssätzen für die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach unten ab. Infolge zwischenzeitlich gestiegener Immobilienpreise bewegten sie sich aber zum Zeitpunkt des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 im Rahmen von bundesweit typischen Liegenschaftszinssätzen. Die Differenzierung bei den Mietwohngrundstücken anhand der Wohnungsanzahl (bis zu 6 oder mehr als 6 Wohnungen) vollzieht die im Immobilienmarktbericht Deutschland 2017 und 2019 getroffene Unterscheidung nach sachlichen Teilmärkten bei Mehrfamilienhäusern (kleine Mehrfamilienhäuser mit 3 – 6 Wohneinheiten) nach.
Gleichwohl ist die aus Praktikabilitätserwägungen getroffene Entscheidung des Gesetzgebers (§ 252 BewG Rz. 36ff.), ausschließlich auf gesetzlich normierte durchschnittliche marktübliche Liegenschaftszinssätze abzustellen, nicht unproblematisch. Einerseits ist die regionale Bandbreite marktüblicher Liegenschaftszinssätze selbst innerhalb eines Grundstücksteilmarktes (einer Grundstücksart) teilweise erheblich und andererseits wirken sich bereits geringe Unterschiede im Liegenschaftszinssatz signifikant auf den Ertragswert des bebauten Grundstücks aus. Mit sinkendem Liegenschaftszinssatz steigt werterhöhend sowohl der Vervielfältiger für die Kapitalisierung der Reinerträge des Grundstücks als auch der Abzinsungsfaktor für die Abzinsung des Bodenwerts an. Bei aller berechtigter Kritik ist dem Gesetzgeber allerdings zugute zu halten, dass für die Gutachterausschüsse – im Gegensatz zu den Bodenrichtwerten – weder eine gesetzliche Verpflichtung zur flächendeckenden noch zur turnusmäßigen Ermittlung von Liegenschaftszinssätzen besteht. Eine flächendeckende Ermittlung von Liegenschaftszinssätzen dürfte aufgrund mangelnder Datenlage auch nicht möglich sein. Für Ein- und Zweifamilienhäuser leiten die Gutachterausschüsse i. d. R. keine Liegenschaftszinssätze ab, da diese typischen Sachwertobjekte im Bereich der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs regelmäßig im Sachwertverfahren bewertet werden (§ 250 BewG Rz. 15).
Der Verzicht auf die Heranziehung der von den örtlichen Gutachterausschüssen abgeleiteten Liegenschaftszinssätze wiegt umso schwerer, als eine Möglichkeit zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts bei der Grundsteuerbewertung nicht vorgesehen ist (§ 243 BewG Rz. 10 und § 247 BewG Rz. 12).
Rz. 13
einstweilen frei