Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
6.1 Sachverhalt
Künstler K hat mit dem Galeristen G vereinbart, eine Ausstellung seiner Kunstwerke in der Galerie des G durchzuführen. Da G aber bezüglich der Verkäuflichkeit der Kunstwerke skeptisch war, wurde vereinbart, dass G zwar die Kunstwerke in eigenem Namen verkaufen soll, von dem jeweiligen Verkaufserlös aber 40 % Vermittlungsprovision einbehalten darf. Nicht verkaufte Ausstellungsstücke sollten nach der Ausstellung wieder an K zurückgehen.
Nachdem die Kunstgegenstände schon Ende Juni 2023 in die Galerie transportiert wurden, wurde Ende Juli 2023 die Verkaufsausstellung eröffnet und auf der Vernissage ein Gemälde für 15.000 EUR verkauft. Bevor weitere Verkäufe durchgeführt werden konnten, zerstörte Anfang August 2023 ein durch einen Blitzeinschlag verursachter Brand die gesamten Kunstwerke. Die Versicherung des G ersetzte auch den Zeitwert der bei G ausgestellten Bilder mit 150.000 EUR. G leitete die 150.000 EUR vereinbarungsgemäß an K weiter.
6.2 Fragestellung
G möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich im Juni bis August 2023 für ihn ergeben.
Einen Antrag nach § 25a Abs. 2 UStG hat G nicht gestellt.
6.3 Lösung
Sowohl K als auch G sind Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, die Leistungen im Rahmen ihres Unternehmens ausführen. Da G im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung auftritt, ist er Kommissionär, K ist der Kommittent. Damit ergibt sich zwingend aus § 3 Abs. 3 UStG die Folge, dass eine Lieferung von K an G und gleichzeitig eine Lieferung von G an den jeweiligen Kunden vorliegt, soweit es zu einem Verkauf kommt; Lieferungen sind damit erst im Juli 2023 ausgeführt.
Leistung des Kommissionärs ist umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung
Obwohl der Kommissionär zivilrechtlich die Geschäfte des Kommittenten besorgt und damit zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht an dem von ihm verkauften Gegenstand erlangt, wird in der Umsatzsteuer eine Lieferung des Kommissionärs fingiert. Die zivilrechtlich vereinbarte "Provision" stellt umsatzsteuerrechtlich die vereinbarte Handelsspanne zwischen Ein- und Verkaufspreis dar.
G führt mit dem Verkauf des Kunstwerks eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG aus, da er Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft. Die Lieferung ist dort ausgeführt, wo die Warenbewegung beginnt. Die Lieferung ist im Inland ausgeführt und damit steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor.
Da bei der Lieferung von Kunstgegenständen seit dem 1.1.2014 der ermäßigte Steuersatz nicht mehr angewendet werden kann, soweit nicht die in § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG aufgeführten Sondertatbestände vorliegen – die hier bei einem Galeristen nicht gegeben sind, da es sich um einen Wiederverkäufer handelt –, muss aus dem Kaufpreis von 15.000 EUR die USt mit 19 % herausgerechnet werden. Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG beträgt damit (15.000 EUR : 1,19 =) 12.605,04 EUR und die Umsatzsteuer (12.605,04 EUR × 19 % =) 2.394,96 EUR. Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2023. Steuerschuldner ist G.
Anwendung der Differenzbesteuerung prüfen
G unterliegt mit dem Verkauf des Kunstgegenstands nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, da er den Gegenstand von einem regelbesteuerten Unternehmer erwirbt. Er kann aber nach § 25a Abs. 2 Nr. 2 UStG – soweit er solche Gegenstände von einem Unternehmer (der kein Wiederverkäufer ist) steuerpflichtig erwirbt – zur Anwendung der Differenzbesteuerung optieren. Dies muss er dann aber schon bei der Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahrs tun. Die Option auf die Differenzbesteuerung ist bei einer solchen Konstellation regelmäßig für den eingeschalteten Kommissionär günstiger.
K führt als Kommittent ebenfalls eine Lieferung im Rahmen seines Unternehmens aus. Diese Lieferung ist als ruhende Lieferung anzusehen, da der Kunstgegenstand sich schon in der Galerie des G befindet und somit keine Warenbewegung der Verschaffung der Verfügungsmacht zuzurechnen ist. Die Lieferung ist damit – zum gleichen Zeitpunkt wie die Lieferung des G im Juli 2023 – in der Galerie ausgeführt und damit steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor.
K als Urheber des Kunstwerks liefert allerdings – seit dem 1.1.2014 nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG – zum ermäßigten Steuersatz. K erhält nach Abzug der "Provision" von (40 % von 15.000 EUR =) 6.000 EUR noch 9.000 EUR ausbezahlt. Aus diesem Zahlbetrag muss die USt mit 7 % herausgerechnet werden. Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG beträgt damit (9.000 EUR : 1,07 =) 8.411,21 EUR und die Umsatzsteuer (8.411,21 EUR × 7 % =) 588,79 EUR. Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Ausführung der Lieferung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2023. Steuerschuldner ist K. Soweit K über die von ihm ausgeführte Lieferung dem G eine ordnungsgemäße Rechnung ausstellt, ist G nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug i. H. v...