Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
7.1 Sachverhalt
Influencerin I aus Ibbenbüren hat sich 2023 selbstständig gemacht und möchte ihren Followern über den in Luxemburg ansässigen Plattformbetreiber P spannende Einblicke in ihr Leben ermöglichen. Dabei wird es den Fans ermöglicht, unterschiedliche Abonnements bei P abzuschließen, der unter Abzug einer vertraglich als "Vermittlungsgebühr" bezeichneten 30 %igen Courtage die Zahlungen an I weiterleitet. I geht davon aus, dass Fans aus ganz Europa Abonnements abschließen werden.
7.2 Fragestellung
I möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen sich für sie ergeben werden.
7.3 Lösung
Sowohl I als auch P sind Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, die Leistungen im Rahmen ihres Unternehmens ausführen. I wird schon mit Vorbereitungshandlungen unternehmerisch tätig, soweit sie ernsthafte Umsatzerzielungsabsicht hat. Fraglich ist, ob I Leistungen an ihre Fans ausführt und selbst von dem Plattformbetreiber P eine Dienstleistung erhält oder ob I ihre Leistungen an P ausführt, der dann wiederum diese Leistungen an die Abonnenten erbringt. Im vorliegenden Fall könnte eine Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG vorliegen. P ist als Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung über eine Schnittstelle eingeschaltet, sodass er als im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handelnd gilt. Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG vor. Die I erbringt deshalb eine sonstige Leistung an P und P erbringt die Leistungen gegenüber den Abonnenten.
Widerlegungsmöglichkeit prüfen
Grundsätzlich kann die Vermutung nach § 3 Abs. 11a Satz 2 UStG widerlegt werden, wenn zwischen I und P entsprechende vertragliche Regelungen vorliegen würden und I gegenüber den Abonnenten als leistender Unternehmer benannt werden würde. Da im vorliegenden Fall die Zahlungsabwicklung aber über P vorgenommen wird, greift die Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung für die Dienstleistungskommission nicht.
Damit führt I gegenüber P sonstige Leistungen auf elektronischem Weg aus. Da P die Leistung als Unternehmer für sein Unternehmen bezieht, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistungen mit dem Sitz des Leistungsempfängers nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG und ist damit in Luxemburg. Die von I ausgeführten Leistungen sind deshalb in Deutschland nicht steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Gegenüber den Abonnenten führt I keine Leistungen aus.
Leistung unterliegt dem Reverse-Charge-Verfahren in Luxemburg
Die von I ausgeführten Leistungen führen aber in Luxemburg nach den dort geltenden unionseinheitlichen Regelungen zu steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen. In den Fällen des § 3a Abs. 2 UStG geht aber innerhalb der Europäischen Union zwingend die Steuerschuld nach Art. 196 MwStSystRL auf den Leistungsempfänger über. P schuldet damit gegenüber der luxemburgischen Finanzverwaltung die Umsatzsteuer aus den Leistungen der I.
P führt gegenüber den Abonnenten gleichartige Leistungen aus. Da die Leistungsempfänger offensichtlich nichtunternehmerisch tätig sein werden, bestimmt sich der Ort der ausgeführten sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG und ist jeweils dort, wo die Leistungsempfänger ansässig sind. Die sich in den Bestimmungsmitgliedstaaten ergebende Umsatzsteuer kann von P dann aber über die One-Stop-Shop-Regelung in Luxemburg angemeldet und abgeführt werden, sodass keine individuelle Veranlagung in den einzelnen Mitgliedstaaten erfolgen muss.
§ 3 Abs. 11a UStG entspricht Unionsrecht
Die Regelung des § 3 Abs. 11a UStG, die in diesen Fällen eine Dienstleistungskommission fingiert, basiert auf Art. 9a MwStSystRL-DVO. Der EuGH hat in einem ähnlich gelagerten Fall (Influencer führt Leistung über das Portal "Only Fans" aus) in dieser Regelung keinen Verstoß gegen unionsrechtliche Regelungen gesehen.