Leitsatz
1. Die Abzinsung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen richtet sich gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG nach dem Zeitraum bis zur erstmaligen Erfüllung der Bestandspflegepflicht. Diesen hat der Steuerpflichtige darzulegen und mit Stichproben zu belegen (Fortentwicklung der Rechtsprechung in den Senatsurteilen vom 19.7.2011, X R 26/10, BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856; X R 48/08, BFH/NV 2011, 2032 und X R 8/10, BFH/NV 2011, 2035).
2. Steht fest, dass der Steuerpflichtige vertraglich zur weiteren Betreuung der von ihm vermittelten Versicherungsverträge verpflichtet ist und auch tatsächlich entsprechende Nachbetreuungsleistungen erbracht hat, scheitert die Bildung der Rückstellung zwar nicht daran, dass er keine der Rechtsprechung entsprechenden Aufzeichnungen über den Umfang der Betreuungsleistungen vorlegen kann. Da den Steuerpflichtigen aber die Darlegungs- und Beweislast trifft, muss sich die dann vorzunehmende Schätzung des Betreuungsaufwandes im unteren Rahmen bewegen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b und Buchst. e Satz 2 EStG, § 162 AO
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als selbstständiger Versicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nach dem Vertretervertrag war er u.a. verpflichtet, den Versicherungsbestand zu pflegen sowie die sich daraus ergebenden geschäftlichen Vorgänge zu erledigen. Im Streitjahr 2004 passivierte er erstmalig Rückstellungen für die Bestandspflege sämtlicher Versicherungen. Diese wurden vom FA mangels Nachweises nicht anerkannt. Das FG gab dem Kläger teilweise recht (Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.5.2011, 2 K 11301/08, Haufe-Index 2740095, EFG 2011, 1691). Hiergegen wandten sich sowohl der Kläger als auch das FA.
Entscheidung
Beide Revisionen waren begründet und führten zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Im FG-Urteil hatten die Grundsätze zur Rückstellungsbildung für Nachbetreuungspflichten eines Versicherungsvertreters, die vom BFH zwischenzeitlich aufgestellt worden waren, noch keine Berücksichtigung gefunden.
Hinweis
1. Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden sind, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhält.
2. Das Hauptproblem ist und bleibt in der Praxis, wie die Höhe des Erfüllungsrückstands zu ermitteln und nachzuweisen ist. Diesbezüglich hat der X. Senat u.a. im Urteil vom 19.7.2011 (X R 26/10, BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856, jeweils m.w.N.) grundlegende Aussagen gemacht, die in dem vorliegenden Urteil bestätigt wurden, sodass insoweit auf die Kommentierung in BFH/PR 2012, 5 f. verwiesen werden kann.
3. Grund für die amtliche Veröffentlichung dieses Urteils sind insbesondere die Aussagen des X. Senats zur Abzinsung, die der Klarstellung dienen sollen:
Als Sachleistungsverpflichtung ist eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG abzuzinsen. Maßgebend ist insoweit der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung, d.h. bis zur konkreten Umsetzung der Sachleistungspflicht. Entsprechend dem Gesetzeswortlaut ist entscheidend darauf abzustellen, wann im konkreten Einzelfall erstmalig Bestandspflegemaßnahmen (z.B. als Reaktion auf eine Adressänderung des Kunden, eine Änderung der Bankverbindung oder Ähnliches) durchgeführt werden (so auch BMF, Schreiben vom 20.11.2012, BStBl I 2012, 1100).
Der Steuerpflichtige hat insoweit darzulegen und mittels Stichproben zu belegen, zu welchem nach dem Vertragsabschluss liegenden Zeitpunkt unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten im einzelnen Vertrag erstmals mit Betreuungsmaßnahmen zu rechnen ist. Auch hierüber sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen. Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen sowie des Zeitraums bis zum Beginn der erstmaligen Durchführung von Betreuungsmaßnahmen (Abzinsungszeitraum) möglich ist.
4. Zwar trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die behaupteten Aufwendungen. Hat er aber nachgewiesen, dass er dem Grunde nach zur Rückstellungsbildung berechtigt ist, kann er jedoch die entsprechenden Anforderungen hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen nicht erfüllen, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass die Bildung einer Rückstellung gänzlich zu unterbleiben hat. Vielmehr ist dann der künftige Betreuungsaufwand zu schätzen, wobei sich die Schätzung im unteren Rahmen zu bewegen hat.
5. Ggf. muss das FG zudem den maßgeblichen Abzinsungszeitraum schätzen, d.h. den Zeitraum, in dem unter Berücksichtigung von Durchschnittswerten noch keine Betreuungsmaßnahmen anfallen. Auch hier gehen Unklarheiten infolge nicht nachvollziehbarer Aufzeichnungen zulasten des Steuerpflichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2013 – X R 25/11