Leitsatz
Eine AG kann Rückstellungen für Verbindlichkeiten aus einem Aktienoptionsprogramm zugunsten von leitenden Mitarbeitern nicht bilden, wenn die Optionen nur ausgeübt werden können, falls der Verkehrswert der Aktien zum Ausübungszeitpunkt einen bestimmten Betrag (hier: 10 % des Ausübungspreises) übersteigt und/oder wenn das Ausübungsrecht davon abhängt, dass es in der Zukunft zu einem Verkauf des Unternehmens oder einem Börsengang kommt. Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines dieser Ereignisse ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Bei einer AG beschloss die Hauptversammlung eine bedingte Kapitalerhöhung um bis zu ... EUR (... Aktien) zur Gewährung von Optionen auf den Bezug von Aktien u.a. an Mitglieder ihres Vorstands. Auf der Grundlage der Optionsbedingungen ("Stock Option Terms") gab sie von 2006 bis 2009 Aktienoptionen aus. Optionsbedingungen (u.a.):
- der Ausübungspreis pro Aktie beträgt ... EUR.
- Die Optionen können ausgeübt werden, wenn ein "Exit-Ereignis" eintritt (Verkauf der wesentlichen Vermögenswerte der AG bzw. der Aktienmehrheit an unabhängigen Dritten oder, im Zusammenhang mit einem Börsengang, jeder Verkauf von Aktien durch bestimmte "Sponsoren" an unabhängige Dritte) und wenn der Verkehrswert mind. 10 % über dem Ausübungspreis pro Aktie liegt ("Erfolgsziel").
- Rückkaufoption: Bei Ausscheiden eines Teilnehmers aus den Diensten der AG oder einer Tochtergesellschaft ist die AG berechtigt, sämtliche ausgegebenen Options-Aktien sowie sämtliche (…) Optionen zum jeweiligen Verkehrswert der Aktien am Beendigungstag zurückzukaufen.
- Ersetzungsrecht: Nach Ausübung einer Option kann die AG nach eigenem Ermessen festlegen, dass statt der Ausgabe von Options-Aktien ein deren Verkehrswert entsprechender Barbetrag abzüglich des Ausübungspreises an den entsprechenden Teilnehmer gezahlt wird.
Unter dem 16.10.2009 erklärte die AG gegenüber den Optionsberechtigten, sie werde von ihrem Ersetzungsrecht Gebrauch machen; bei Ausübung der Optionen würden die Berechtigten Barzahlungen statt Aktien erhalten. Nur für die Befriedigung von Optionen, die in Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden bereits vor einem "Exit-Ereignis" ausgeübt würden, werde das Ersetzungsrecht noch nicht ausgeübt.
Für Zahlungsverpflichtungen aus dem Optionsprogramm bildete die AG Rückstellungen. An sämtlichen Bilanzstichtagen lag der von der AG ermittelte Verkehrswert ihrer Aktien über dem "Erfolgsziel".
Das FA erkannte die Rückstellungen für die Streitjahre 2006, 2009 und 2010 insgesamt nicht an. Für die Streitjahre 2007 und 2008 berücksichtigte das FA die Rückstellungen nur in geringem Umfang (für die Rückkaufsrechte hinsichtlich der Optionen vorzeitig aus den Diensten der AG ausgeschiedener Optionsberechtigter).
Die Klage blieb (in diesem Streitpunkt) erfolglos (FG Münster, Urteil vom 1.10.2014, 9 K 4169/10 K, F, Haufe-Index 7716669, EFG 2015, 933).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Bereits geklärt ist: Die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter durch eine AG im Rahmen eines Optionsplans, der mit einer bedingten Kapitalerhöhung verbunden ist, führt nicht zu einem gewinnwirksamen Personalaufwand; auch ist im Hinblick auf die künftige Ausgabe neuer Aktien kein Raum für eine Verbindlichkeitsrückstellung (keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung!).
Sind aber Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) zu bilden? Als Voraussetzungen gelten nach ständiger Rechtsprechung unverändert:
Entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist.
2. Die streitigen Rückstellungen beziehen sich auf die eventuellen künftigen Zahlungsverpflichtungen der AG aus der in den Optionsbedingungen geregelten Ersetzungs- bzw. Rückkaufsbefugnis. Entsprechende Verpflichtungen sind aber zu den Bilanzstichtagen der Streitjahre weder rechtlich entstanden (s. zu 3.) noch wirtschaftlich verursacht (s. zu 4.).
3. Zur rechtlichen Entstehung fehlte insbesondere der Eintritt des in den Optionsbedingungen geregelten "Exit-Ereignisses" (Verkauf der Aktienmehrheit oder des Betriebsvermögens der AG oder der Börsengang). Ferner setzte die Ausübung der Optionen voraus, dass der Verkehrswert der Aktien bei Ausübung des Rechts 10 % über dem Ausübungspreis liegt. Auch dieses Merkmal konnte zu den Bilanzstichtagen noch nicht erfüllt sein, weil weder der künftige Ausübungszeitpunkt noch der Aktienwert zu jenem Zeitpunkt feststanden – es geht insoweit nicht um Wahrscheinlichkei...