Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
Werden Haftungsansprüchen bereits vor Erstellung der Bilanz geltend gemacht und werden trotzdem keine Rückstellung bilanziert, ist davon auszugehen, dass der steuerliche Vertreter nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnet und keine inhaltlich und zeitlich hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Last bestanden hat.
Sachverhalt
Die Klägerin (GmbH) beantragte nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2013 nachträglich die Berücksichtigung einer Rückstellung für die Bilanzstichtage zum 31.12.2008 bzw. 31.12.2009 wegen drohender Schadensersatzforderungen der A-GmbH. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
T, Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Klägerin, war auch "Managing Director" der Firma D mit Sitz in Dubai. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatte die D von der A-GmbH Exportrabatte erhalten, obwohl die entsprechenden Warenlieferungen an die Klägerin verkauft und im Inland ausgeführt wurden.
Die A-GmbH wurde von ihren anwaltlichen Vertretern über Haftungsansprüche in Höhe von circa 3,46 Mio. Euro gegenüber D und T informiert. Diese rieten dazu, sowohl zivilrechtliche Haftungsansprüche geltend zu machen als auch Strafanzeige zu stellen. Die D kündigte daraufhin in 2008 gegenüber der Klägerin an, die geforderten Schadensersatzansprüche an sie weiterzureichen. Gegen T stellt die A-GmbH in 2009 Strafanzeige. Das Landgericht lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen T in 2013 ab. Eine zivilrechtliche Klage gegen T oder die Klägerin wurde von der A GmbH nicht erhoben.
Das Finanzamt berücksichtigte daraufhin keine Rückstellung.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Es sind keine Schadensersatzansprüche der A GmbH gegen die Klägerin ersichtlich, da zwischen der Klägerin und der A GmbH keine vertraglichen Vereinbarungen bestanden. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die D ihr gegenüber Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat, ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage diese beruhen sollten.
Die Bildung der streitigen Rückstellungen kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die D angekündigt hatte, die Schadensersatzansprüche an die Klägerin weiterzureichen, da keine Anspruchsgrundlagen ersichtlich sind.
Davon abgesehen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin am Bilanzstichtag ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen musste. Aus der Tatsache, dass die angedrohte Geltendmachung von Haftungsansprüchen der A GmbH gegenüber der D auch dem Steuerberater der Klägerin bekannt war, der gleichwohl keine Rückstellung passivierte, ist zu folgern, dass nach Einschätzung des steuerlichen Beraters keine inhaltlich und zeitlich hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Last der Klägerin bestand.
Hinweis
Im Wesentlichen scheitert die Rückstellungsbildung an den Grundsätzen der Rückstellungsbildung, Zum einen muss eine Schuld bestehen bzw. deren Entstehen wahrscheinlich sein. Darüber hinaus muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht nicht für die Rückstellungsbildung aus.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 29.06.2015, 7 K 3135/13