Zusammenfassung
Rückstellungen sind Verpflichtungen, die dem Grunde, der Höhe bzw. dem Zeitpunkt nach noch nicht sicher feststehen. Sie nehmen künftige Risiken vorweg und werden als Fremdkapital auf der Passivseite ausgewiesen. Sie decken Schulden ab, die wirtschaftlich in der laufenden Periode verursacht worden sind, rechtlich jedoch erst in der Zukunft fällig werden.
Rückstellungen unterscheiden sich von anderen Schuldposten insbesondere durch das Hauptmerkmal der Ungewissheit. Die Ungewissheit kann sich auf die Höhe der Schuld bzw. auf die tatsächliche Inanspruchnahme beziehen. Keine Rückstellungen sind Rücklagen.
Die handelsrechtlichen Möglichkeiten einer Rückstellungsbildung sind steuerlich stark eingeschränkt. Bilanziell werden Steuerrückstellungen als Form der passiven Steuerabgrenzung und sonstige Rückstellungen unterschieden.
Die Bildung einer Rückstellung mindert den Gewinn eines Wirtschaftsjahrs. Rückstellungen werden häufig steuerfinanzpolitisch eingesetzt, um in Zeiten guter Ertragslage den Steuerbilanzgewinn zu reduzieren.
Handelsrechtlich sind Rückstellungen in den §§ 249, 274 Abs. 1 HGB geregelt. Das Steuerrecht enthält keine den handelsrechtlichen Normen entsprechenden allgemeine Rückstellungsvorschriften. Es verweist in § 5 Abs. 1 EStG auf das Handelsrecht und regelt punktuell einzelne Rückstellungen in § 5 Abs. 2a – 5 EStG. Die Bewertung von Rückstellungen erfolgt handelsrechtlich nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 253 Abs. 1 Sätze 2–4 und Abs. 2 HGB sowie steuerrechtlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG. Die Passivierung von Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz richtet sich nach § 6a EStG. Weitere Erläuterungen finden sich in den Hinweisen R 5.7, 6.11, 6a der EStR sowie H 6a der EStH. Die Bilanzberichtigung ergibt sich aus § 4 Abs. 2 EStG.
Sonderregelungen des HGB, Aktien- oder GmbH-Rechts sowie die der GoB haben Vorrang.
Nach § 285 HGB sind im Anhang u. a. Art, Zweck sowie Risiken, Vorteile und finanzielle Auswirkungen von nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften anzugeben, soweit diese wesentlich sind und die Offenlegung für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens erforderlich ist. Auch nicht in der Bilanz enthaltene sonstige finanzielle Verpflichtungen sind mit ihrem Gesamtbetrag im Anhang auszuweisen, sofern diese Angaben für die Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens bedeutend ist. Kleine Kapitalgesellschaften sind von diesen Angaben befreit.
1 Bilanzansatz
1.1 Rückstellungen im Handelsrecht
Die Bilanzierung entspricht dem Vorsichtsprinzip. Grundsätzlich sind die handelsrechtlichen Normen auch für die Steuerbilanz maßgeblich, sofern steuerrechtliche Sondervorschriften nicht entgegenstehen. Zu unterscheiden sind Verbindlichkeitsrückstellungen für bereits realisierten Aufwand, Drohverlustrückstellungen für künftigen Mehraufwand und (echte) Aufwandsrückstellungen, die künftige Ausgaben in gegenwärtige Aufwendungen transformieren.
Zu jedem Abschlussstichtag ist die Bildung und Auflösung von Rückstellungen zu überprüfen und eine sog. Inventur der Risiken vorzunehmen. Folgende Rückstellungen unterliegen einem sog. Passivierungsgebot. Sie sind in der Handelsbilanz als sog. Pflichtrückstellungen zu bilden:
- für ungewisse Verbindlichkeiten
- für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften
- für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltungen, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten nachgeholt werden,
- für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird, sowie
- für Gewährleistungsaufwand, der ohne rechtliche Verpflichtung erbracht wird.
Pensionsrückstellungen zählen zu den Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten. Sie unterliegen in Handels- und Steuerbilanz der Passivierungspflicht.
Rückstellungen können nach Außen- und Innenverpflichtung unterschieden werden. Als Außenverpflichtung gelten beispielsweise ungewisse Verbindlichkeiten und Drohverluste, während unterlassene Instandhaltungsaufwendungen oder unterlassene Abraumbeseitigung Innenverpflichtungen betreffen.
Rückstellungen nur für betriebliche Steuern
Steuerrückstellungen weisen Steuern und Abgaben aus, die bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs wirtschaftlich entstanden sind und hinsichtlich ihrer Höhe noch nicht endgültig feststehen. In der Handels- und Steuerbilanz sind nur betrieblich bedingte Schulden zu passivieren, die – wie beispielsweise die Gewerbesteuer – auch als Betriebsausgaben auszuweisen sind. Private Schulden, wie z. B. die Einkommensteuer eines Einzelunternehmers, unterliegen einem Passivierungsverbot. Mangels privater Sphäre stellt dies für Kapitalgesellschaften, z. B. für Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, keine Einschränkung dar.
Kapitalgesellschaften sind handelsrechtlich verpflichtet, eine Schuldrückstellung nach § 274 Abs. 1 HGB für die sog. passive latente Steuerlast zu bilden. Latente Steuern sind verborgene Steuerlasten oder Steuervorteile, die sich aufgrund von Abweichungen im Ansatz oder in der Bewertung zwischen der Handels- und Steuerbilanz ergeben und sich in folgen...