Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Hat das FA die Voraussetzungen der Durchschnittssatzgewinnermittlung aufgrund wissentlich falscher Steuererklärungen des Landwirts (hier: zu geringe Flächenangabe) bejaht, so bedarf es keiner Mitteilung über den Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gem. § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, um den tatsächlich erzielten Gewinn zu ermitteln.
Mit dem Bekanntwerden der tatsächlichen Verhältnisse ist das FA zur Schätzung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft befugt, so als habe es rechtzeitig von dem Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen Kenntnis erlangt und eine entsprechende Mitteilung gem. § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG erlassen.
Normenkette
§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Ein Landwirt nahm die Gewinnermittlung nach § 13a EStG seit Jahren dadurch in Anspruch, dass er in seinen Steuererklärungen die selbst bewirtschaftete Fläche erheblich zu niedrig angab. Wäre die tatsächlich bewirtschaftete Fläche angesetzt worden, hätte der Gewinn wegen Überschreitung der Ausgangswertgrenze des damaligen § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht nach Durchschnittssätzen ermittelt werden dürfen. Als das FA im Jahr 1996 davon Kenntnis erhielt, schätzte es u.a. den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1988/89 nach Richtsätzen und erließ einen nach § 173 AO geänderten ESt-Bescheid für das Streitjahr 1988.
Das FG gab der Klage statt. Es war der Meinung, der Kläger habe den Gewinn nach § 13a EStG ermitteln dürfen, weil eine Mitteilung über den Wegfall der Voraussetzungen für die Durchschnittssatzgewinnermittlung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG noch nicht vorgelegen habe.
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht. Der Kläger könne sich auf die Schutzwirkung des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht berufen. Bei früherer Kenntnis von der größeren Fläche hätte das FA rechtzeitig auf das Ende der Durchschnittssatzgewinnermittlung hinweisen können und müssen. Die rückwirkende Richtsatzschätzung sei zulässig, weil die Finanzbehörden sonst einem vorsätzlich handelnden Steuerpflichtigen hilflos gegenüberständen.
Hinweis
1. Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG ist der Gewinn letztmalig für das Wirtschaftsjahr nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, das nach Bekanntgabe der Mitteilung der Finanzbehörde über den Wegfall der Voraussetzungen für die Durchschnittssatzgewinnermittlung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG endet. Dies entspricht der Rechtslage bei einer Mitteilung über den Eintritt der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO, obwohl die Situation des Mitteilungsempfängers unterschiedlich ist.
Wer buchführungspflichtig ist, muss zahlreiche Maßnahmen zu Beginn und im Lauf des Wirtschaftsjahrs ergreifen, um den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Buchführung zu genügen und von seinen Wahlrechten ordnungsgemäß Gebrauch machen zu können. Dem Unternehmer würde etwas Unmögliches abverlangt, wenn er nachträglich zur Führung von Büchern aufgefordert würde.
Beim Wegfall der Berechtigung zur Durchschnittssatzgewinnermittlung nach § 13a EStG verhält es sich anders, weil damit nicht zugleich zwangsläufig eine Buchführungspflicht besteht, sondern auch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung zulässig sein kann. Diese könnte auch nachträglich zusammengestellt werden.
2. Wenn trotzdem die Durchschnittssatzgewinnermittlung erst für die Zukunft wegfallen soll, ist dies ein Entgegenkommen des Fiskus, der dem Landwirt den Abschied von der zu wirklichkeitsfremd niedrigen Gewinnen führenden Gewinnermittlung nach § 13a EStG erleichtern will. Mit dieser Großzügigkeit kann nach dem hiesigen Urteil aber nicht rechnen, wer durch falsche Angaben gegenüber dem FA verhindert, dass die Mitteilung rechtzeitig ergeht. Ein solcher Landwirt muss so behandelt werden, als hätte er rechtzeitig richtige Angaben gemacht und als hätte das FA in der üblichen Bearbeitungszeit gehandelt und eine Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG erlassen.
3. Beachten Sie, dass § 13a EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 in vielen Punkten geändert worden ist. Die im Besprechungsurteil noch erwähnte Ausgangswert-Grenze von 32 000 DM gibt es seither nicht mehr. An deren Stelle ist eine Flächengrenze von 20 ha getreten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.11.2001, IV R 13/00