Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines in mehreren Teilakten erfolgten, grunderwerbsteuerpflichtigen Wechsels im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft. Keine Hauptsacheerledigung durch Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Grunderwerbsteuer)
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob es für die Rückgängigmachung einer gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG grunderwerbsteuerpflichtigen Veränderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft genügt, eine – nicht aber alle – der zur Tatbestandserfüllung beitragenden Änderungen im Gesellschafterbestand rückgängig zu machen.
2. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass der Erwerbsvorgang nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich rückgängig gemacht wird. Dazu müssen die Beteiligten sich vollständig aus den gegenseitigen Vertragspflichten entlassen, die bereits gewährten Leistungen zurückgewähren und uneingeschränkt ihre ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangen. Der Verkäufer muss wieder völlig frei über das Grundstück verfügen können und darf nicht verpflichtet sein, das Grundstück wieder an den Erwerber oder einen von diesem benannten Dritten zu veräußern. Das ist nicht der Fall, wenn eine Anteilsveräußerung zwar formal vollständig rückgängig gemacht wird, aber schon zu diesem Zeitpunkt faktisch feststeht, dass es wieder zur Übertragung eines geringeren (Teil-)Anteils auf den selben Erwerber kommen wird.
3. Die Hauptsache hat sich nicht erledigt, wenn Aussetzung der Vollziehung ohne Auflagen beantragt, tatsächlich aber nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt worden ist.
Normenkette
GrEStG 1997 § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 1 Abs. 2a; GrEStG 2000 § 1 Abs. 2a; FGO § 69 Abs. 2-3, § 138 Abs. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Rechtsstreites fallen der Antragstellerin zur Last.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in deren Gesamthandseigentum sich ein Grundstück befindet. An ihr waren zunächst Herr Dr. B. Sch. (3/5) und Herr Dr. G. Sch. (2/5) beteiligt. Letzterer übertrug mit Vertrag vom 29. Dezember 1998 seine Beteiligung an der GbR (2/5) auf Herrn R. L.. Mit Vertrag vom 4. Oktober 2000 erwarb die RWE AG (RWE) den Anteil des Herrn Dr. B. Sch. (3/5). Diesen Vertrag hoben die Vertragsbeteiligten am 2. April 2001 auf. Zugleich erfolgte die Übertragung eines Teilanteiles (2/5) … des … Herrn Dr. B. Sch. auf die RWE AG. Den Wechsel im Gesellschafterbestand der GbR sah der Antragsgegner als grunderwerbsteuerbaren Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG an und setzte mit Bescheid vom 24. August 2001 die Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid wurde Herrn L. „für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts RWE AG und Herrn R. L.” bekannt gegeben. Hiergegen legte der fachkundig beratene Herr L. am 20. September 2001 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Diese versagte der Antragsgegner. Den gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Herrn L. wies der 2. Senat mit Beschluss vom 6. Februar 2002 als unzulässig zurück. Das Gericht erachtete Herrn L. als nicht antrags- bzw. klagebefugt.
Mit Antrag vom 27. Februar 2002 begehrt nunmehr die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des streitigen Grunderwerbsteuerbescheides. Sie ist der Auffassung, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sei ernstlich zweifelhaft. Mit dem Aufhebungsvertrag vom 2. April 2001 sei der Erwerbsvertrag vom 4. Oktober 2000 rückabgewickelt worden. Die Voraussetzungen des § 16 GrEStG seien erfüllt. Außerdem sei die Inanspruchnahme und Vollstreckung unverhältnismäßig und unbillig. Eventuelle Vollstreckungsmaßnahmen gefährdeten ihre Kreditwürdigkeit.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 24. August 2001 auszusetzen, hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, die Vollstreckung wegen des Grunderwerbsteuerbescheides vom 24. August 2001 einstweilen einzustellen.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten. Er ist der Ansicht, es fehle an einer vollständigen Rückabwicklung des Anteilserwerbes.
Mit Verfügung vom 4. April 2002 gewährte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung gegen eine bis zum 5. Juli 2002 zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe des streitigen Steuerbetrages. Zugleich erklärte er den Rechtsstreit für erledigt. Die Sicherheitsleistung wurde nicht erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Steuerakten sowie die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Gericht hatte trotz der seitens des Antragsgegners erfolgten Hauptsacheerledigungserklärung durch Beschluss über die begehrte Aussetzung der Vollziehung bzw. die einstweilige Anordnung zu befinden, da eine Erledigung nicht eingetreten ist. Zum einen hat der Antragsgegner dem Antrag durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung nicht entsprochen, so dass die Hau...