rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtveranlagung bei Antrag eines Arbeitnehmers, Kapitaleinkünfte in die Veranlagung einzubeziehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Beantragt ein Arbeitnehmer seine Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterlegen haben, in die Veranlagung einzubeziehen und die Günstigerprüfung durchzuführen, entfällt die Abgeltungswirkung. Die Kapitaleinkünfte sind dann als Einkünfte i. S. d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzusehen.
2. Für die Anträge auf Einbeziehung der Kapitaleinkünfte und auf Durchführung der Günstigerprüfung bestehen keine Formerfordernisse.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1, § 32d Abs. 1, 3-4, 6, § 2 Abs. 5b, § 43 Abs. 5 S. 3; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. Januar 2013 sowie der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2017 verpflichtet, die für das Jahr 2012 eingereichte Steuerklärung einer Veranlagung zuzuführen
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Durchführung einer Steuerveranlagung.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2012 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 33.856,– EUR sowie Kapitalerträge in Höhe von 2.769,– EUR, von denen Kapitalertragsteuer einbehalten worden war. Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Streitjahr ging am 31. Dezember 2016 per Fax beim Beklagten ein. Sie bestand aus den Seiten eins und zwei des Mantelbogens sowie den Anlagen N und KAP, die der Kläger jeweils mit handschriftlichen Eintragungen und Anmerkungen versehen hatte. Eine Unterschrift des Klägers fehlte. Hinsichtlich der Kapitalerträge stellte der Kläger Anträge auf Günstigerprüfung sowie auf Überprüfung des Steuereinbehalts; ferner beantragte er die Verrechnung von Altverlusten. Der Beklagte lehnte die Veranlagung ab und wies den Einspruch des Klägers zurück. Eine Veranlagung könne nur nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchgeführt werden. Danach müsse der Veranlagungsantrag durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung gestellt werden. Eine solche müsse gemäß § 25 Abs. 3 EStG eigenhändig unterschrieben sein. Daran fehle es im Streitfall. Bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2016 habe der Kläger keinen gültigen Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger das Begehren weiter. Er hat während des Klageverfahrens beim Beklagten eine weitere Steuerklärung eingereicht, die nunmehr auch die letzte Seite des Mantelbogens sowie eine Unterschrift des Klägers enthält.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. Januar 2013 sowie der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2017 zu verpflichten, die für das Jahr 2012 eingereichte Steuerklärung einer Veranlagung zuzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass Anträge des Klägers auf Günstigerprüfung sowie gemäß § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG vorlägen und die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer insofern entfalle. Aufgrund der hohen Einkünfte aus Kapitalvermögen sei eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durchzuführen. Diese setze keinen Antrag voraus. Der Beginn der Festsetzungsverjährung sei gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gehemmt.
Der Beklagte hat hierzu erwidert, allein durch den Antrag auf Günstigerprüfung entfalle nicht die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs. Damit sei nach § 2 Abs. 5b EStG eine Einbeziehung der Kapitalerträge in die Einkünfteermittlung im Sinne des § 46 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen. Der erforderliche Betrag von 410,– EUR sei nicht überschritten. Im Übrigen werde die Auffassung, dass eine Günstigerprüfung nur im Rahmen einer Antragsveranlagung durchgeführt werden könne, „durch die herrschende Literaturmeinung gestützt (Blümich EStG § 46 Rz. 57, Schmidt EStG § 46 Rz. 12, Hartz, Meeßen, Wolf ABC-Führer Lohnsteuer, ‚Veranlagung von Arbeitnehmern' Rz. 134)”.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebene Steuerakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr.
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 EStG unter anderem nur durchgeführt, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, jeweils mehr als 410,– EUR beträgt (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG) oder wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer; der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG).
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, denn seine Kapitaleinkünfte überschrei...