Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschätzung bei erheblichen Buchführungsmängeln. Berücksichtigung fehlenden Verschuldens am Verlust der Unterlagen im Rahmen der Schätzung. Umsatzsteuer 1992
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Buchführung einer nicht in das Handelsregister eingetragenen OHG, die schon nach der Höhe der Vorjahresumsätze zur Buchführung verpflichtet ist, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, wenn weder ein Anlageverzeichnis, noch eine Abschreibungsliste, noch eine mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung übereinstimmende Summen- und Saldenliste vorgelegt werden kann und auch die Entnahmen nicht vollständig aufgezeichnet worden sind. Da die Buchführungsunterlagen und sonstigen Aufzeichnungen grundsätzlich der Beweisrisikosphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, ist das Finanzamt bei Verlust der Unterlagen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung eines Unsicherheitszuschlages berechtigt.
2. Fehlendes Verschulden des Steuerpflichtigen beim Verlust der Unterlagen kann ein besonderer, im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigender Umstand des Einzelfalles sein.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, §§ 158, 141 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Unter Änderung des Umsatzsteuer-Bescheides 1992 vom 27. November 1997 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1998 wird die USt für 1992 auf 4.111 Euro festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin firmierte als OHG, war aber nicht ins Handelsregister eingetragen. Gesellschafter der Klägerin waren H. mit einem Anteil von 85 v.H. und Hf., verheiratete L. mit einem Anteil von 15 v.H. Die Klägerin stellte ihren Betrieb (Einzel- und Großhandel mit Getränken) zum 31. März 1992 ein. In der Bilanz zu diesem Zeitpunkt waren Forderungen in Höhe von 160.809,85 DM aktiviert und Verbindlichkeiten in Höhe von 541.234,43 DM passiviert.
Bei einer Betriebprüfung (Bp), die das Streitjahr 1992 umfasste, stellte die Prüferin fest, dass die Buchführung erhebliche Mängel aufwies. So wurde weder ein Anlageverzeichnis noch eine Abschreibungsliste geführt. Eine mit der Bilanz und der G.u.V. – Rechnung übereinstimmende Summen- und Saldenliste konnte nicht vorgelegt werden. Auch wurden die Entnahmen unvollständig aufgezeichnet. Die Prüferin erhöhte daher die Umsätze für das Streitjahr um 116.797,– DM. Hiervon entfiel ein Betrag von 51.136,– DM auf Umsätze bis zur Betriebaufgabe und ein Betrag von 65.661,– DM auf Umsätze anlässlich des Warenverkaufs bei der Aufgabe des Betriebes. Zu den Feststellungen und rechtlichen Folgerungen der Prüferin im einzelnen wird auf den Bp-Bericht von 02. Oktober 1997, insbesondere Tz. 3.01, 5.01 und Anlage 5 verwiesen.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) folgte den Feststellungen und rechtlichen Folgerungen der Prüferin und setzte mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung – AO– geändertem Bescheid vom 27. November 1997 die USt für 1997 auf 10.178,– DM fest. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1998).
Mit der Klage wird vorgetragen, dass Forderungen der Klägerin in Höhe von 143.693,68 DM, die bei Betriebaufgabe bestanden, nicht realisiert werden konnten. Nachdem der Klägerin im Zeitpunkt der Liquidation die Mittel fehlten, um die Forderungen einklagen zu können, seien diese Forderungen nie bezahlt worden. Dies sei bei Festsetzung der Umsatzsteuer (USt) steuermindernd zu berücksichtigen.
Außerdem sei eine Zuschätzung der Umsätze in Höhe von 116.797,– DM zu hoch. Die Zuschätzungen entsprächen (bis auf die Warenabgabe bei Betriebsaufgabe) denen aus 1991, obwohl die Klägerin im Streitjahr nur 3 Monate Umsätze erzielt habe. Sämtliche Geschäftsvorfälle seien von einer Steuerberaterin gebucht worden. Lediglich Teile des Belegwesens seien abhanden gekommen, weil die Steuerberaterin die Belege nicht vollständig zurückgegeben habe. Daher treffe die Klägerin bzw. deren Gesellschafter kein Verschulden an den Mängeln der Buchführung.
Zum Nachweis dafür, dass die Forderungen nicht eingezogen werden konnten, verweist die Klägerin auf ein Schreiben der Rechtsanwältin Sch. vom 02. April 1998 (Bl. 10 FG-Akte), aus dem sich ergibt, dass im Jahr 1994 und in der Folgezeit vergeblich versucht wurde, Forderungen des Gesellschafters H. zu vollstrecken. Außerdem verweist sie auf ein Schreiben des Inkassounternehmens B. vom 23. Juni 1993 (Bl. 15 FG-Akte), in dem dem Gesellschafter H. empfohlen wird, gerichtlich gegen einen Schuldner vorzugehen.
Der Gesellschafter H. sei überschuldet. Ihn würden titulierte Forderungen i.H. von ca. 178.000 DM belasten. Er sei – auch auf lange Sicht gesehen – nicht in der Lage, Tilgungen vorzunehmen. Die Hinzuschätzungen seien vor diesem Hintergrund völlig sinnlos. Es sei deshalb vorgesehen, beim FA einen Erlassantrag zu stellen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des USt-Bescheides 1992 vom 27. November 1997 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1998 die USt für 1992 neu festzusetzen und
das Verfahren bis zur Ent...