rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Dem Betreiber einer inhabergeführten Gaststätte von den Gästen gewährte Trinkgelder gehören zum umsatzsteuerlichen Entgelt
Leitsatz (redaktionell)
1. Die dem Betreiber einer inhabergeführten Gaststätte von seinen Gästen gewährten freiwilligen Trinkgelder sind als Entgelt in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen.
2. Der in der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien nur vertraglich vereinbarte Vergütungen, im Bereich der Gastronomie mithin die in der Speisekarte ausgewiesenen Preise, nicht hingegen freiwillige Trinkgelder, die kein zusätzliches Entgelt darstellten, sondern eine „besondere Art von Geschenk”, ist nicht zu folgen. Eine derartige Auslegung ist insbesondere nicht durch vorrangiges Europarecht geboten.
Normenkette
UStG § 10 Abs. 1 S. 2; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a; EGRL 112/2006 Art. 73
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 06.01.2010 für 2005, 2006 und 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2010. In den angefochtenen Bescheiden hatte der Beklagte im Anschluss an die Feststellungen einer betriebsnahen Veranlagung (Prüfungsbericht vom 17.12.2009) vom Kläger als Betreiber einer inhabergeführten Gaststätte von seinen Gästen vereinnahmte freiwillige Trinkgelder in der festgestellten Höhe von 1.000 EUR brutto jährlich als Entgelt in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einbezogen.
Der Kläger meint, freiwillige Trinkgelder gehörten nicht zum umsatzsteuerlichen Entgelt. Entgelt sei die vertraglich vereinbarte Leistungsvergütung, regelmäßig der Preis. Das freiwillige Trinkgeld, das keinen Preisbestandteil und keinen Preiszuschlag bilde, stehe außerhalb der vertraglichen Vereinbarung. Nach Fortentwicklung des Entgeltbegriffs durch den EuGH (Urteil vom 18.07.2007 C 277/05) würden Trinkgelder auch in der Literatur nicht mehr als Entgeltbestandteil angesehen – der Kläger verweist insoweit auf die Kommentierung von Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 10 UStG Anm. 65. Abweichende Literaturauffassungen übernähmen zwar die grundsätzliche Rechtsauffassung des BFH im Urteil vom 17.02.1972 V R 118/71, BStBl II 1972, 405, setzten sich jedoch mit der Auslegung des Begriffs der Steuerbemessungsgrundlage i.S der EuGH-Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 18.07.2007 C 277/05, nicht auseinander.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide vom 06.01.2010 für 2005, 2006 und 2007 in Form der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2010 aufzuheben,
im Unterliegensfalle die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, die Trinkgelder seien in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. Schriftsätze des Klägervertreters vom 06.01.2011 sowie des Beklagten vom 26.01.2011, Bl. 10 und 15 RS dA).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Umsatzsteuerbescheide vom 06.01.2010 für 2005, 2006 und 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Recht hat der Beklagte die an den Kläger als Betreiber einer inhabergeführten Gaststätte von seinen Gästen gewährten freiwilligen Trinkgelder, deren im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung festgestellte Höhe von 1.000 EUR brutto jährlich nicht mit substantiierten Einwendungen angegriffen ist, als Entgelt in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einbezogen, § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG. Zum umsatzsteuerlichen Entgelt gehört alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Dazu rechnen auch die an den Kläger freiwillig gewährten Trinkgelder. Denn zwischen den von seinen Gästen an den Kläger als leistenden Unternehmer gezahlten Trinkgeldern und der von ihm erbrachten unternehmerischen Leistung besteht eine innere Verknüpfung, die es gebietet, die Trinkgelder in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Rechtsauffassung des BFH und der Finanzverwaltung, die, soweit ersichtlich, in der Kommentarliteratur überwiegend Billigung finden (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.1972 V R 118/71, BStBl II 1972, 405; Abschnitt 149 Abs. 5 Satz 1 UStR 2008; aus der Literatur vgl. z.B. Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 10 Rn. 15; Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 10 Rn. 85 „Trinkgelder”, Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rn. 59 sowie § 10 Rn. 90; Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rn. 119).
Nicht zu folgen vermag der Senat hingegen der vom Kläger – unter anderem unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 10 Anm. 65 „Bedienungszuschlag”– vertreten...