Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschalierung von Sachzuwendungen an zu einem Firmenjubiläum eingeladene Geschäftspartner nach § 37b EStG: Voraussetzungen der Pauschalierung, Aufhebung des Nachforderungsbescheids zur Durchführung erheblicher Sachverhaltsermittlungen durch das FA
Leitsatz (redaktionell)
1. Nicht alle betrieblich veranlassten Zuwendungen sind nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG pauschalierungsfähig, sondern nur solche, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht wurden. Daher sind Zuwendungen, die etwa zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses erbracht werden, mangels einer zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon vereinbarten Leistung oder Gegenleistung nicht in den Anwendungsbereich des § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einbezogen. Bei Bestehen eines Leistungsaustauschs sind zudem nur solche Zuwendungen pauschalierungsfähig, die ergänzend zu einem synallagmatischen Leistungsaustausch hinzutreten, indem die Zuwendungen zwar nicht geschuldet, aber durch den Leistungsaustausch veranlasst sind.
2. Sachzuwendungen an die zu einem Firmenjubiläum eingeladenen Nichtarbeitnehmer können nur dann nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG pauschaliert werden, wenn zum Zeitpunkt der Jubiläumsfeier ein Vertragsverhältnis des einladenen Unternehmens zum jeweiligen Gast vorhanden gewesen ist, dessen Inhalt im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen waren und als dessen Ergänzung sich die Zuwendung darstellte. Für den erforderlichen Veranlassungszusammenhang muss sich die Zuwendung auf den jeweiligen konkreten Leistungsaustausch bezogen haben. Es genügt mithin nicht, dass eine zeitliche Nähe zwischen einem Leistungsaustausch und der Zuwendung vorhanden war, diese aber ansonsten in keiner Beziehung zueinander standen. Ebenso wenig ist eine bloße Kausalverknüpfung ausreichend, etwa dergestalt, dass durch einen früheren Leistungsaustausch ein geschäftlicher Kontakt entstanden ist, dessen Pflege die Einladung zur Jubiläumsfeier dient.
3. Hat das FA einen Pauschalierungsbescheid nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ohne erkennbare Ermittlungen zum Veranlassungszusammenhang zwischen der jeweiligen Zuwendung und einem Leistungsaustausch bei jedem der (hier: 55) zu einem Firmenjubiläum eingeladenen Gäste erlassen, ist eine Aufhebung des Bescheids zur weiteren Sachaufklärung nach § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO „sachdienlich”. Die erforderlichen Ermittlungen sind auch erheblich i. S. d. § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO, da zu einen die Adressen der Gäste festgestellt und das Unternehmen sowie gegebenenfalls auch die Gäste zu den maßgeblichen Umständen befragt werden müssen und zum anderen auch zu klären ist, ob für jeden der Gäste der Jubiläumsfeier ein Einkommensteuertatbestand festgestellt werden kann, unter den die Teilnahme an der Jubiläumsfeier subsumiert werden kann.
Normenkette
EStG § 37b Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1; FGO § 100 Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Nachforderungsbescheid vom 28. Oktober 2015, die wiederholende Verfügung hierzu vom 8. März 2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. August 2016 werden gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung insoweit aufgehoben, als Lohnsteuern sowie Annexabgaben für Zuwendungen des Jahres 2012 in Höhe von 3.696,55 EUR berücksichtigt worden sind.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist eine Besteuerung nach § 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, die Softwaredienstleistungen für die Automobilindustrie erbringt. Sie veranstaltete am 10. Mai 2012 eine Feier zu ihrem Firmenjubiläum, an der 83 Gäste teilnahmen. 55 von ihnen waren keine Arbeitnehmer der Klägerin.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung stellte der Beklagte fest, dass für die Jubiläumsfeier sowie weitere Betriebsveranstaltungen und Geschenke an Geschäftspartner keine Lohnsteuern erklärt worden waren. Die Prüferin ermittelte für die Jubiläumsfeier Kosten pro Gast von 67,21 EUR, wobei sie die Bewirtungsaufwendungen außer Betracht ließ. Die Prüfungshandakte enthält eine von der Prüferin erstellte Gästeliste für das Firmenjubiläum, in der für jeden Gast Vorname und Nachname sowie in der Mehrzahl der Fälle eine Firmenbezeichnung notiert sind. Die Prüferin fragte bei der Klägerin schriftlich an, ob sie § 37b EStG für „fremde Dritte” in Anspruch nehmen wolle. Die Klägerin antwortete, sie wolle § 37b EStG in Anspruch nehmen.
Mit Nachforderungsbescheid vom 28. Oktober 2015, der mit einem Haftungsbescheid verbunden wurde, nahm der Beklagte die Klägerin unter anderem für die auf die 55 auswärtigen Gäste der Jubiläumsfeier entfallenden Kosten in Höhe von insgesamt 3.696,55 EUR gemäß § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG in Anspruch. Eine weitere – nicht streitige – Inanspruchnahme nach § 37b EStG erfolgte für das Str...