Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfallen des Verlustabzugs einer Körperschaft bei mehr als 50 %-igem Anteilseignerwechsel verfassungskonform
Leitsatz (redaktionell)
1. Dass nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG bei einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft die zum Zeitpunkt der schädlichen Beteiligungsübertragung vorhandenen, nicht ausgeglichenen Verluste vollständig nicht mehr abziehbar sind, ist im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und dessen Befugnis zur Typisierung nicht verfassungswidrig.
2. Das gilt auch dann, wenn weniger als 100 % der Anteile übertragen werden und wenn es es nicht um einen Mantelkauf geht, sondern wenn eine „aktive” Kapitalgesellschaft auch nach dem Gesellschafterwechsel ihren Geschäftsbetrieb unverändert fortführt.
3. § 8c Abs. 1 S. 2 KStG verstößt auch nicht unter dem Gesichtspunkt gegen Art. 14 GG, dass zwar durch das Entfallen eines Verlustvortrags der Anteil des einzelnen Gesellschafters, der nicht am Anteilserwerb beteiligt ist, an Wert verlieren kann. Dieser Gesellschafter ist aber nicht Adressat der Regelung des § 8c Abs. 1 KStG, d. h. die Vorschrift enthält keinen direkten Eingriff in seine vermögenswerten Positionen.
Normenkette
KStG § 8c Abs. 1 Sätze 1-2; GG Art. 2, 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1; EStG § 10d Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Verlusten nach Maßgabe von § 8c Abs. 1 KStG.
Die Klägerin wurde am 29. Dezember 1995 von K S mit einem Stammkapital von DM 50.000 gegründet. Die Anteile der Klägerin wurden in den Folgejahren wie folgt veräußert:
10. Januar 1997 |
Anteil von DM 50.000 an C S (= Tochter) |
20. Februar 1998 |
Anteil von DM 50.000 an K S |
22. April 1999 |
Anteil von DM 50.000 an R S (= Schwester) |
30. Mai 2006 |
Anteil von DM 16.500 (= EUR 8.450) an A T |
10. September 2008 |
Anteil von DM 33.500 (EUR 17.150) an H T (= Vater) |
Zunächst war K S alleiniger Geschäftsführer, ab August 2003 H T und seit Juni 2005 A T.
Am 9. September 2009 reichte die Klägerin die streitgegenständlichen Steuerbescheide ein, wobei sie laut Bilanz einen Gewinn von EUR 27.837,24 erzielte. Bei der Festsetzung wich der Beklagte insoweit ab, als er die zum 31. Dezember 2007 bestehenden Verlustvorträge von EUR 184.101 nicht berücksichtigte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2010 als unbegründet zurückwies.
Die Klägerin trägt vor, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum noch nicht abgelaufen sei, da R S ihren Anteil mehr als neun Jahre gehalten habe. Im Übrigen bestehe sie seit 1996, ohne dass sich in der produktiven Tätigkeit Veränderungen ergeben hätten. Auch werde der Betrieb in seiner wirtschaftlichen Ausrichtung fortgeführt. R S habe sich schon länger von ihren Anteilen trennen wollen. H T habe von Anfang an bei der Klägerin gearbeitet. Ihm sei es auch möglich gewesen, den Banken die erforderlichen Sicherheiten zu bestellen.
Die gesetzliche Regelung des § 8c KStG bewirke einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, weswegen die Regelung verfassungswidrig sei. Allein durch die Veräußerung der Anteile ergäben sich keine steuerlichen Vor- oder Nachteile bei ihr.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008, die Körperschaftsteuer für 2008, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 2008, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2008, jeweils vom 26. April 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2010 dahingehend zu ändern, dass der zum 31. Dezember 2007 bestehende Verlustvortrag verrechnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung der bisherigen Verluste gemäß § 8c KStG erfüllt seien, da im Fünf-Jahres-Zeitraum, nämlich im September 2008 ein Anteil von mehr als 50% veräußert worden sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung seien nicht ersichtlich.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 16. März 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat der Gesetzgeber nicht nur das Unternehmenssteuerrecht im Hinblick auf die Marktfähigkeit deutscher Unternehmen geändert, sondern auch in das Körperschaftsteuergesetz § 8c KStG neu eingeführt. Das Ziel war dabei u.a., die geltende Mantelkaufregelung, die die ungerechtfertigte Nutzung und den Handel mit Verlustvorträgen ...