Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des Eigenverbrauchs bei Gastronomen. Ladungsfähige Anschrift als Zulässigkeitsvoraussetzung auch im weiteren Prozessverlauf. Umsatzsteuer 1993
Leitsatz (redaktionell)
1. Führt der Steuerpflichtige entgegen § 22 Abs. 2 Nr. 3 UStG keine Aufzeichnungen über den Eigenverbrauch in seiner Gaststätte, so ist das Finanzamt zur Schätzung des Eigenverbrauchs berechtigt, denn dass ein Gastronom keinerlei Lebensmittel oder Speisen und Getränke für den eigenen Bedarf oder den Bedarf seiner Familie entnimmt, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Die Ermittlung des Eigenverbrauchs anhand der im BMF-Schreiben vom 10.1.1994 (BStBl. I 1994, S. 109) bekanntgegebenen Jahrespauschbeträge ist eine brauchbare Schätzungsmethode.
2. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers dient neben seiner Identifizierung auch der ordnungsgemäßen Prozessführung, z.B. der Erreichbarkeit des Klägers. Die Bezeichnung der Anschrift des Klägers ist daher nicht nur bei Klageerhebung, sondern auch im weiteren Prozessverlauf als Zulässigkeitsvoraussetzung erforderlich (Anschluss an FG Rheinland-Pfalz vom 29.10.1998, 4 K 1440/97, n.v.).
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 Nr. 3; AO 1977 § 162; FGO § 65 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen Eigenverbrauchs und über die Höhe der Vorsteuern.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr 1993 eine Gaststätte. Sie lebte dort mit ihrem Ehemann (bis zum August 1994) und mit ihren am 10. November 1983 und am 4. Januar 1979 geborenen Kindern.
Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 10. November 1995 setzte der Beklagte – das Finanzamt – die Umsatzsteuer auf DM 257,– fest. Dem lagen zugrunde Lieferungen und Leistungen zu 15 % iHv. DM 46.638,– sowie die Entnahme von Gegenständen zu 15 % iHv. DM 1.613,– und die Entnahme von Gegenständen zu 7 % iHv. DM 6.905,– sowie eine abziehbare Vorsteuer iHv. DM 7.463,29. Die Klägerin hatte abziehbare Vorsteuerbeträge iHv. DM 33.454,69 erklärt, während sich aus den Voranmeldungen nur der Betrag von DM 7.463,29 ergab.
Bei der Berechnung des Eigenverbrauchs legte das Finanzamt jeweils die Pauschbeträge aus dem BMF-Schreiben vom 10. Januar 1994 (BStBl. I 1994, S. 109) für einen Vier-Personen-Haushalt mit zwei Kindern unter zwölf in einer Gast- und Speisewirtschaft mit Abgabe von kalten und warmen Speisen zugrunde und nahm einen Abschlag von 30% vor.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, sie habe keinen Eigenverbrauch angegeben, weil er sich nicht aus der Gaststätte habe decken lassen und das Geschäft nicht damit habe belastet werden konnte. Sie habe durch die Zahlungen von Kindergeld und Wohngeld, die Unterstützung der Eltern und die Nutzung von Garten und Tieren den Lebensunterhalt bestritten. Die Differenzen bei der Vorsteuer seien durch die Rechnungslegungen und die Bezahlbarkeit der Rechnungen zustande gekommen; sie habe nur das ausgeben können, was verdient worden sei (Schreiben vom 16. Februar 1996, S. 5 f., Blatt 23, 24 der Rechtsbehelfsakte, sowie Schreiben vom 16. August 1998, Blatt 110 der Rechtsbehelfsakte).
Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das Finanzamt die Beträge des Eigenverbrauches reduzierte; es legte weiterhin die Pauschbeträge des BMF-Schreibens vom 10.1.1994 zugrunde und zwar für einen Vier-Personenhaushalt mit zwei Kindern unter 12 (ab 1992 mit einem Kind unter zwölf) und nahm einen weiteren Abschlag von 50% vor. Mit der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 1998 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer die Umsatzsteuer 1993 auf DM 136,– fest.
Mit der Klage macht die Klägerin macht geltend, die Vorsteuer 1993 sei so hoch wie erklärt gewesen, da sie in der Gaststätte in einen neuen Trakt investiert habe. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2002 legte die Klägerin die noch verfügbaren Rechnungen vor. Hierauf wird Bezug genommen (letzte Lasche im Anlagenhefter I). Sie könne nicht mehr Unterlagen vorlegen, da diese bei einem Brand in der Gaststätte vernichtet worden seien. Sie könne auch keine Rechnungskopien von ihren Lieferanten bekommen. Sie könne sich lediglich erinnern, dass die Firma M. den Innenausbau der Gaststätte übernommen habe. Die Firma gäbe es nicht mehr. Der Geschäftsführer sei nicht auffindbar. Ferner überreichte die Klägerin eine Kopie eines Überweisungsträgers, demzufolge DM 19.870,20 an eine Bürotechnikfirma überwiesen worden sei.
Der Ansatz von Eigenverbrauch sei nicht zulässig, da ein Unternehmer nicht für sich selbst mit Umsatzsteuer arbeiten würde; man dürfe nicht dafür bestraft werden, dass man Nahrung zu sich nehme. Außerdem seien die angesetzten Beträge zu hoch, da sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder nicht durch Entnahmen aus der Gaststätte bestritten habe. Außerdem habe ihr Sohn ab September 1993 die Ballettschule in L. besucht.
Aufgrund des Vortrages der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat das Finanzamt den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid mit Bescheid vo...