Entscheidungsstichwort (Thema)
berufsrechtliche Angelegenheit mündl. Prüfungsbescheid vom 12.01.1996
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 12.01.1996 verpflichtet, die Klägerin zur Wiederholung der mündlichen Prüfung zuzulassen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistungen in der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß ergebenden Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin hat sich am 12. Januar 1996 in zweiter Wiederholung dem mündlichen Teil der Seminarprüfung gemäß der Verordnung zur Durchführung des § 40a des Steuerberatungsgesetzes (DV § 40a StBerG) unterzogen. Ausweislich der Niederschrift über die Prüfung (Bl. 12–18 der Klageakte) begann diese um 13.15 Uhr und endete nach einer Pause von 13.50 Uhr bis 14.10 Uhr um 15.10 Uhr. Der beim Beklagten gebildete Seminarausschuß wertete die Prüfung als nicht bestanden; die Entscheidung wurde der Klägerin im Anschluß an die Beratung des Ausschusses bekanntgegeben. Der Ausschußvorsitzende begründete die Prüfungsentscheidung damit, daß die Klägerin erhebliche Lücken in allen abgefragten Prüfungsgebieten habe und die Prüfung nach Einschätzung aller Prüfer nicht bestanden sei. Eine Prüferin wies die Klägerin ergänzend darauf hin, diese habe –obwohl nur Grundlagenwissen gefragt gewesen sei– kaum Antworten gegeben. Hierauf kündigte die Klägerin, die nicht schlechter als die beiden Mitprüflinge gewesen sein will, Rechtsmittel an.
Mit der fristgemäß erhobenen Klage verweist die Klägerin auf die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 3 DV § 40a StBerG i.V.m. § 26 Abs. 7 der Verordnung zur Durchführung des StBerG (DVStB), wonach die auf jeden Bewerber entfallende Prüfungszeit 90 Minuten nicht überschreiten soll. Die Prüfung der Klägerin hingegen sei nach einer Pause von 13.50 Uhr bis 14.20 Uhr bereits vor 15.00 Uhr beendet worden, so daß die Gesamtprüfungsdauer für alle drei Kandidatinnen einschließlich Fragestellungen und Erläuterungen nur 75 Minuten betragen habe. Aber auch dann, wenn man mit dem Protokoll von einer Prüfungsdauer von 95 Minuten ausginge, entfielen je Prüfungsgebiet nur knapp acht Minuten auf jede Kandidatin. Diese Verkürzung der Prüfungszeit sei ein gravierender formeller Fehler, da eine sachgerechte Beurteilung seitens der Prüfer aufgrund der Kürze der Zeit erschwert, wenn nicht gar unmöglich gewesen sei.
- Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 12. Januar 1996 den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin zur Wiederholung der mündlichen Prüfung zuzulassen.
- Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Nach seiner Auffassung liegt ein Verstoß gegen § 26 Abs. 7 DVStB nicht vor, da diese Vorschrift keine Mindest-, sondern nur eine Hochstprüfungsdauer von 90 Minuten vorschreibe. Die Dauer der Prüfung hänge davon ab, in welcher Zeit sich die Prüfer ein hinreichend sicheres Bild von den Leistungen und der Befähigung eines Prüflings machen könnten. Entscheidend hierfür seien stets die Umstände des Einzelfalls. Zudem sei § 26 Abs. 7 DVStB im Streitfall nach § 6 Abs. 2 Satz 3 DV § 40a StBerG lediglich sinngemäß anzuwenden. Es müsse berücksichtigt werden, daß der Prüfungsstoff des § 40a Abs. 4 StBerG nicht denselben Umfang habe wie der der ordentlichen Steuerberaterprüfung, und die Prüfungskommission gemäß § 40a Abs. 5 StBerG lediglich aus vier Mitgliedern bestehe, die sich ein Bild von den Leistungen der Klägerin hätten machen müssen; der Ausschuß der Steuerberaterprüfung bestehe demgegenüber nach § 10 Abs. 3 Satz 1 DVStB aus sechs Mitgliedern.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Inhalt der Prüfungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung.
1. Es bedarf keiner Beweiserhebung darüber, ob die Prüfungsdauer –wie die Klägerin vorträgt– entgegen dem Protokoll lediglich 75 Minuten betragen hat. Bereits die protokollierte Prüfungsdauer von 95 Minuten für drei Bewerber begründet im Streitfall einen Mangel im Prüfungsverfahren.
a) Auf die Durchführung der von der Klägerin abgelegten Prüfung gemäß § 40a Abs. 4 StBerG ist nach § 6 Abs. 2 Satz 3 DV § 40a StBerG die Vorschrift des § 26 Abs. 7 DVStB sinngemäß anzuwenden. Diese Vorschrift schreibt vor, daß die auf jeden Bewerber entfallende Prüfungszeit 90 Minuten nicht übersteigen soll; eine Mindestprüfungszeit ist nicht geregelt. Demgegenüber sollte nach der Vorgängervorschrift in Gestalt des § 21 Abs. 3 der DVStBerG vom 1. August 1962 (BGBl I S. 537) auf jeden Bewerber eine Prüfungszeit in der Steuerberaterprüfung von 60 bis 90 Minuten, in der Steuerbevollmächtigtenprüfung von 30 bis 60 Minuten entfallen. Die Vorgabe eines Zeitrahmens ist mit der DVStB vom 12. November 1979 (BGBl I S. ...