rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch des Kindesvaters für in Tschechien bei der vom Kläger geschiedenen, selbst nicht kindergeldanspruchsberechtigten Kindesmutter lebenden Kinder

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Leben die Kinder bei der Kindesmutter in Tschechien, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland hat und auch nicht unbeschränkt steuerpflichtig gem. § 1 Abs. 2 EStG oder unbeschränkter (fiktiv) steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG ist, so ist die Kindesmuttter mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 EStG nicht nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG kindergeldanspruchsberechtigt.

2. Besteht kein Kindergeldanspruch der in Tschechien lebenden Kindesmutter, der geeignet wäre, den Kindergeldanspruch des in Deutschland lebenden Vaters gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auszuschließen, so ist keine Anspruchskonkurrenz gegeben, welche Voraussetzung für die Anwendung der Prioritätsregeln nach Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 wäre. Lebt das Kind aber nicht im Haushalt des (einzigen) Kindergeldanspruchsberechtigten (hier: des Vaters), so erhält dieser nur dann tatsächlich Kindergeld, wenn er für das Kind tatsächlich Barunterhalt zahlt.

3. § 64 Abs. 3 S. 1 EStG ist nicht dahingehend zu verstehen, dass mehrere Berechtigte vorhanden sein müssen. Die Vorschrift knüpft nicht an eine hypothetische Möglichkeit, sondern die tatsächlichen Zahlungen an. Unterhaltsrente i. S. d. § 64 Abs. 3 S. 1 EStG ist nur der laufende Barunterhalt und keine Sachleistungen und Betreuungsleistungen.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2, § 62 Abs. 1; EGV 883/2004 Art. 11, 67-68, 60

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2016; Aktenzeichen III R 65/13)

 

Tenor

1. Der Bescheid über Kindergeld vom 10. Juni 2010, geändert am 31. Mai 2012, wird dahingehend abgeändert, dass dem Kläger für seine Töchter A und B von Juni 2010 bis Dezember 2010 Kindergeld bewilligt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 74% und die Beklagte 26%.

3. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Kindergeld für seine in Tschechien bei der tschechischen Mutter lebenden Kinder ab Juni 2010 hat.

Der Kläger ist der Vater der am 31. März 1994 geborenen A und der am 1. Dezember 2000 geborenen B. Die beiden Töchter leben in Tschechien bei der vom Kläger seit dem … 1. November 2009 getrennt lebenden und mittlerweile geschiedenen Mutter, die tschechische Staatsangehörige ist. Mit Urteil eines tschechischen Kreisgerichtes vom 15. Februar 2010 wurde der Mutter, die arbeitslos war, das Sorgerecht übertragen. Der Kläger war verpflichtet, sich am monatlichen Unterhalt der Töchter mit jeweils EUR 234 zu beteiligen und diesen Betrag an die Kindesmutter zu überweisen. Der Betrag setzte sich laut Urteil aus dem Kindergeldanspruch des Vaters zuzüglich monatlich EUR 50 pro Kind zusammen. Mit Bescheid vom … 10. Juni 2010 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2009 auf, da die Kinder seit November 2010 nicht mehr in Haushalt des Klägers lebten und forderte das für den Zeitraum von November 2009 bis Mai 2010 gezahlte Kindergeld zurück. Dagegen legte der Kläger am 17. Juni 2010 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 16. Mai 2012 bat der Kläger, über den Einspruch bis zum 6. Juni 2012 zu entscheiden. Mit Bescheiden vom 31. Mai 2012 bewilligte die Beklagte unter Änderung des vorangegangenen Bescheides Kindergeld für April und Mai 2010 und hob die Festsetzung des Kindergeldes erst ab Juni 2010 auf. Nach Ermittlungen der Beklagten hatte die Kindesmutter in Tschechien kein Kindergeld erhalten.

Über den Einspruch vom 17. Juni 2010 hat die Beklagte bislang nicht entschieden. Der Kläger zahlte von Juni bis Dezember 2010 monatlich Kindesunterhalt in Höhe von EUR 100. Ab Januar 2011 zahlte er keinen Unterhalt mehr, da er nur noch Arbeitslosengeld II in Höhe von EUR 692,53 bezieht.

Der Kläger bringt vor, die Klage sei als Untätigkeitsklage statthaft, da über den Einspruch innerhalb von 2 Jahren noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen sei der Antrag auf Kindergeld auch begründet, da die Kindesmutter nicht Berechtigte sei und er seinen Beitrag zum Kindesunterhalt leiste. Dabei sei es nicht erheblich, ob eine Unterhaltsrente gezahlt werde. Aus § 64 EStG gehe nicht hervor, dass dies erforderlich sei. Seine Tochter A besuche weiterhin das Gymnasium.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid über Kindergeld vom 10. Juni 2010, geändert am 31. Mai 2012, dahingehend abzuändern, dass ihm für seine Töchter A und B ab Juni 2010 Kindergeld bewilligt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bringt vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kinderg...

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