Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei Rückabwicklung einer Grundstücksveräußerung durch ungeteilte Erbengemeinschaft kein Anspruch bzw. keine Klagebefugnis einzelner Mitglieder auf Ansprüche nach § 16 GrEStG sowie Rückerstattung der gezahlten Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Veräußert eine fortbestehende und nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft die zu ihrem gesamthänderisch gebundenen Nachlass gehörenden Grundstücke, ist ausschließlich die Erbengemeinschaft selbstständiger Rechtsträger und Steuersubjekt i. S. d. Grunderwerbsteuerrechts.

2. Muss die Erbengemeinschaft die – vom Grundstückskäufer entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht gezahlte – Grunderwerbsteuer zahlen und lehnt nach der Eröffnung über das Vermögen des Grundstückskäufers dessen Insolvenzverwalter die Erfüllung des Grundstücksaufvertrags ab, so stehen die Ansprüche aus § 16 GrEStG auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung und Rückzahlung der Steuer sowie die Befugnis zur Durchführung der hierfür erforderlichen Verfahrenshandlungen (Einspruchs- und Klagebefugnis) ausschließlich der Erbengemeinschaft als Steuersubjekt zu.

3. Die Erbin eines verstorbenen Mitglieds der Erbengemeinschaft ist nicht befugt, den Anspruch der Erbengemeinschaft auf Aufhebung der Steuerfestsetzung und Erstattung der gezahlten Steuer im eigenen Namen geltend zu machen sowie die hierzu nötigen Verfahrenshandlungen allein vorzunehmen.

 

Normenkette

GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Nr. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 57 Nr. 2; BGB § 2039

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.11.2015; Aktenzeichen II B 33/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Am 19.11.1940 verstarb. Zum Nachlass gehörten u.a. das Grundstück in K., das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist, und eine landwirtschaftliche Fläche in L. Die Erblasserin wurde beerbt von A, B,C und D. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 11.05.1995 verkaufte die ungeteilte Erbengemeinschaft, nunmehr bestehend aus den jeweils an die Stelle der inzwischen verstorbenen A, B,C und D getretenen Erben, die Grundstücke. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Grundstückskaufvertrag (GrESt-Akte Bl. 3 ff.) sowie wegen der auf Veräußererseite beteiligten Personen auf die Anlage zur Veräußerungsanzeige (GrESt-Akte Bl. 39).

Die Klägerin ist Tochter des am Grundstückskaufvertrag vom 11.05.1995 auf Veräußererseite beteiligten H H. Dieser wurde nach seinem Tod zunächst von seiner Ehefrau E H beerbt, die wiederum nach ihrem Tod 2003 u.a. von der Klägerin beerbt worden war (vgl. Erbscheine vom 06.07.2000 und vom 16.12.2003, Bl. 11f. dA).

In den Folgejahren nahmen die im Grundbuch eingetragenen Personen Mieten ein, aus denen auch die Grundsteuern entrichtet werden konnten. Aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Fläche wurden Pachteinnahmen erzielt.

Nachdem der Erwerber entgegen den vertraglichen Bestimmungen (§ 3 des Grundstückskaufvertrags) die Grunderwerbsteuer nicht entrichtet hatte, setzte das damals zuständige FA mit Bescheid vom 31.01.2000 Grunderwerbsteuer i.H. von 8.000 DM gegen die Erbengemeinschaft H /J /E fest (GrESt-Akte Bl. 42). Die Bekanntgabe des Bescheids erfolgte an RA R als Zustellvertreter. Die Überweisung des Steuerbetrages erfolgte namens der Erbengemeinschaft im Februar 2000 (vgl. Überweisungsauftrag vom 24.02.2000, GrESt-Akte Bl. 43). Nachdem der Erwerber auch den vertraglich vereinbarten Kaufpreis nicht entrichtet und das Amtsgericht über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet hatte, lehnte der Insolvenzverwalter des Erwerbers die Erfüllung des Grundstückkaufvertrages im November 2007 ab.

Mit Schreiben vom 04.11.2010 beantragte RA R beim zwischenzeitlich zuständigen beklagten Finanzamt die Aufhebung des gegen die Erbengemeinschaft ergangenen Grunderwerbsteuerbescheides vom 31.01.2000 (GrESt-Akte Bl. 18) sowie eine Erstattung der gezahlten Steuer an die Veräußerer. Die Zahlung sollte teilweise an die Stadtverwaltung K erfolgen, an die wegen rückständiger Grundsteuern die Eigentümer des bebauten Grundstücks in K – im Abtretungsvertrag bezeichnet als „ungeteilte Erbengemeinschaft H /J /E” – einen Betrag von EUR 2.753,16 abgetreten hatten (GrESt-Akte Bl. 63), und im Übrigen auf ein zugunsten der Veräußerer geführtes Rechtsanwalt-Anderkonto überwiesen werden.

Mit Beschluss vom 30.12.2010 (GrESt-Akte Bl. 91) eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über den Nachlass der am 19.11.1940 verstorbenen I und bestellte Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter. Nachdem der Insolvenzverwalter wiederholt Zahlung der zu erstattenden Grunderwerbsteuer auf das Massekonto gefordert hatte, hob der Beklagte den Grunderwerbsteuerbescheid vom 31.01.2000 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG mit Bescheid vom 09.05.2011 auf, der dem Insolvenzverwalter für die Erbengemeinschaft H /J /E bekannt gegeben wurde (GrESt-Akte Bl. 111), und erstattete den Betrag auf das benannte Massekonto des Verwalters. Dieser Zahlung widersprach RA R mit Schreiben vom 07.06.2011...

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