Entscheidungsstichwort (Thema)
Diätaufwendungen einer an Zöliakie erkrankten Person keine außergewöhnliche Belastung. Einkommensteuer 1996
Leitsatz (redaktionell)
Bei der glutenfreien Ernährung einer an Zöliakie erkrankten Person handelt es sich um eine Diätverpflegung. Diätkosten sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ausnahmslos nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Die gesetzlich angeordnete Nichtberücksichtigung der Diätaufwendungen ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2 S. 3
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2 Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Tatbestand
Streitig ist, ob Diätaufwendungen einer an Zöliakie erkrankten Person als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.
Bei der Zöliakie handelt es sich um eine die Verdauung beeinträchtigende Erkrankung der Dünndarmschleimhaut (die möglicherweise auf einen Enzymmangel zurückzuführen ist) Ursache ist die Unverträglichkeit des in vielen Getreidearten (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer) vorkommenden Klebeproteins Gluten. Unbehandelt treten schwere Darmschädigungen und chronisch wässrige Durchfälle auf, die unter anderem zu lebensbedrohlichen Wasser- und Elektrolytverlusten, zur Anämie und zu bösartigen Tumoren fuhren können. Für den Betroffenen ist als womöglich einzige, jedenfalls im Vordergrund stehende Therapiemaßnahme eine lebenslange glutenfreie Ernährung unerlässlich. Zu den zu vermeidenden glutenhaltigen Nahrungsmitteln gehören alle handelsüblichen Teig- und Backwaren, meistens Süßigkeiten, kohlenhydratige Wurstware und fertige Soßen, Suppen etc. Erlaubt sind spezielle aus Reis, Mais, Buchweizen, Hirse, Kartoffeln oder Sojabohnen gefertigte Back- und Teigwaren Ebenfalls unproblematisch sind Cornflakes, Gemüse, Früchte, Milch und Milchprodukte, Eier, Fette, reine Wurstwaren und Fisch. Inzwischen gibt es ein großes Angebot an glutenfreien Spezialprodukten, die das Einhalten einer entsprechenden Diät erleichtern. Wird die Diät korrekt eingehalten, normalisiert sich die Darmschleimhaut innerhalb mehrerer Wochen. In einigen Fällen muss die Diät in den ersten Wochen noch mit einer Kortisoneinnahme kombiniert werden, um die Darmentzündung rasch zum Abklingen zu bringen Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Darstellung des Prozessbevollmachtigten in der Klagebegründung vom 02.05.2000 (Blatt 23 bis 25 der FG-Akte) sowie auf das klinische Wörterbuch von Pschyrembel, Stichwort: Zöliakie und den vom ADAC herausgegebenen Praxisatlas Gesundheit, Stichwort: Zöliakie.
Mit dem Einspruch gegen den im Schätzungsweg ergangenen Einkommensteuerbescheid für 1996 machte die an Zöliakie leidende im Jahre 1951 geborene Klägerin Mehraufwendungen für Diätverpflegung als außergewöhnliche Belastung geltend. Zur Begründung trug sie vor, die glutenfreie Ernährung sei bei der Behandlung der Zöliakie die einzig bekannte Therapiemöglichkeit. Die Höhe der von ihr geltend gemachten Aufwendungen von 3.192 DM (266 DM pro Monat) ermittelte sie aus der Differenz der durchschnittlichen Gesamtmehrbelastung und des durchschnittlichen Aufwands für spezielle Diätprodukte, gemessen bei verschiedenen Probandenhaushalten. Als Grundlage diente die Veröffentlichung einer Untersuchung zweier Universitäten (vgl. Bl. 35–39 der FG-Akte) Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg. Unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 27.09.1991 (BStBl II 1992, 110) führte das Finanzamt aus, mit der im Jahre 1974 eingefügten Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG habe der Gesetzgeber unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, Aufwendungen für Diätverpflegung ausnahmslos von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung auszuschließen. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter Sie fuhrt aus: Die Krankheit sei nicht heilbar und bleibe lebenslang bestehen Die einzig wirkungsvolle Therapie sei eine glutenfreie Diät. Nur deren konsequente Einhaltung ermögliche das Überleben des Patienten und sichere ein symptomfreies Leben und eine normale Lebenserwartung. Bei der geringsten Verletzung der Diät trete die Darmschädigung wieder auf. Zusätzlich bestehe in diesem Fall ein erhöhtes Krebsrisiko. So treten Tumore im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich 9,7-fach, Speiseröhrenkarzinome 12,3-fach und maligne Lymphome 42,7-fach häufiger als bei der normalen Bevölkerung auf. Im Gegensatz zu anderen eine Diät erforderlich machenden Krankheit gebe es bei Zöliakie keine Alternativtherapie zur besonderen Ernährung Darin unterscheide sich der Streitfall auch von dem dem BFH-Urteil vom 27.01.1991 zugrundeliegenden Sachverhalt, in dem Diätaufwendungen bei einer an Neurodermitis erkrankten Person nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden seien Sie, die Klägerin, leide neben der Zöliakie an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Aufgrund der Folgen der Zöliakieerkrankung sei sie erwerbsunfähig geworden. Durch das Sozialamt werde kein Zu...