Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheinrechnungen. Berichtigung der Steuerschuld setzt keine Rechnungsberichtigung voraus. Aufklärungsdefizit aufgrund unzureichender Mitwirkung des Finanzamts im Klageverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG setzt keine Korrektur der zuvor erteilten Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen voraus.
2. Offenbart das Finanzamt die für die Beurteilung des Streitfalls erforderlichen Erkenntnisse aus dem Erhebungsverfahren bei dem Rechnungsempfänger dem Finanzgericht nicht, kann das daraus resultierende Aufklärungsdefizit nicht zu Lasten des Klägers gehen.
Normenkette
UStG § 14c Abs. 2, § 17 Abs. 1; FGO § 71 Abs. 2
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 16. August 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2012 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 38.010,60 EUR gemindert wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Berichtigung einer Besteuerung nach § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Der Kläger ist als Einzelunternehmer tätig und wird beim Beklagten zur Umsatzsteuer veranlagt. In den Monaten Januar bis Mai 2008 stellte er einer GmbH fünf Rechnungen über insgesamt 38.010,38 EUR aus, denen keine Leistungen zu Grunde lagen. Hierzu verfasste der Kläger sodann Korrekturbelege, die inhaltlich den Rechnungsangaben entsprachen. Sie waren als Gutschriften bezeichnet und an die GmbH gerichtet.
Der Beklagte wurde im Jahr 2010 auch für die Besteuerung der GmbH zuständig. Im Jahr 2011 führte er eine Umsatzsteuersonderprüfung beim Kläger durch. Diese führte unter anderem zu der Feststellung, der Vorsteuerabzug bei der GmbH aus den streitigen Rechnungen sei bereits im Jahr 2008 rückgängig gemacht worden. Die Prüferin zweifelte jedoch an, dass die Korrekturbelege bereits im Jahr 2008 erstellt worden waren. Der Beklagte erließ daraufhin am 16. August 2011 zu Lasten des Klägers den streitgegenständlichen Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2008, in dem er die Steuer um 38.010,38 EUR erhöhte.
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger die Berichtigung des Steuerbetrags geltend und trug vor, der Sachverhalt sei in der Betriebsprüfung der GmbH bereits im Jahr 2008 berücksichtigt worden. Ferner sei am 18. November 2008 ein Strafverfahren eingeleitet worden. In der Verhandlung vom 16. Dezember 2008 habe er alle Rechnungen und Gutschriften vorgelegt. Auf der Grundlage dieser Unterlagen sei das Strafverfahren am 8. Januar 2009 eingestellt worden. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.
Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, die GmbH habe die Vorsteuer aus den Rechnungen gar nicht geltend gemacht. Die Gefährdung des Steueraufkommens sei damit beseitigt.
Der Kläger hat keinen Klageantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zunächst vorgetragen, die bloße Behauptung des Klägers, die Gutschriften hätten bereits im Jahr 2008 vorgelegen, reiche nicht aus, um von der Besteuerung gemäß § 14c Abs. 2 UStG abzusehen. Da der Kläger die Gutschriften im Jahr 2009 eingereicht habe, werde davon ausgegangen, dass er diese erst im Jahr 2009 erstellt habe.
Das Gericht hat den Beklagten darauf hingewiesen, dass die Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG keine Rechnungskorrektur voraussetzt. Es hat um Prüfung gebeten, ob die GmbH die Vorsteuer aus den streitigen Rechnungen gezogen sowie bejahendenfalls die Vergütungsbeträge wieder an das Finanzamt zurück gezahlt hat. Der Beklagte hat die Prüfung zunächst zugesagt, dann unter Verweis auf § 30 der Abgabenordnung abgelehnt und sodann wieder zugesagt. Nach weiteren fünf Monaten und mehrmaligen Nachfragen des Gerichts hat der Beklagte schließlich mitgeteilt, er lasse die erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GmbH durchführen; die Erkenntnisse lägen voraussichtlich im Mai 2013 vor. Ende Mai 2013 hat der Beklagte abschließend zum Klageverfahren Stellung genommen. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung seien die bereits geltend gemachten Vorsteuerabzüge aus zwei der Rechnungen im Jahr 2008 rückgängig gemacht worden. „Laut den allgemein geltenden Voraussetzungen” müsse „die Berichtigung schriftlich erfolgen und dem Leistungsempfänger zugegangen sein”. Unterlagen, aus denen ersichtlich sei, dass der Kläger den unberechtigten Steuerausweis gegenüber der GmbH für ungültig erklärt habe, lägen jedoch nicht vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die zum Streitfall übergebenen Steuerakten verwiesen. Die Akten der GmbH und die Akten über das Steuerstrafverfahren liegen dem Gericht nicht vor.
Entscheidungsgründe
D...