Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltungsanspruch. Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Rang eines Urlaubsabgeltungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
Der Urlaubsentgeltanspruch stellt eine Altmasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO dar, wenn der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeitsleistung freigestellt hat.
Normenkette
InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3, § 208; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Urteil vom 23.04.2003; Aktenzeichen 9 Ca 5568/02) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 23.04.2003 wird auf seine Kosten
z u r ü c k g e w i e s e n. |
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Urlaubsentgeltansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin.
Der Kläger war als gewerblicher Arbeitnehmer bei dem Bauunternehmen … GmbH beschäftigt, über deren Vermögen am 08.01.2002 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde. Die Gemeinschuldnerin hatte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ursprünglich bereits gekündigt.
Mit Schreiben vom 27.02.2002 stellte der Beklagte den Kläger unter Anrechnung noch ausstehender Urlaubsansprüche ab 01.03.2002 von der Arbeitsleistung frei. Gegen Ende März 2002 teilte der Kläger dem Beklagten schriftlich mit, dass er mit dieser Anrechnung nicht einverstanden sei.
Am 01.03.2002 wurde der Beklagte zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin bestellt. Bereits am 22.02.2002 hatte der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt.
Der Kläger hat vorgetragen:
Bei den hier streitgegenständlichen Urlaubsentgeltansprüchen handele es sich um Masseansprüche gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO würden als Masseverbindlichkeiten nach Abs. 1 Nr. 2 auch Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis gelten, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen habe. Im Falle der Urlaubsgewährung durch Freistellung des Klägers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche verzichte der Beklagte nicht auf die Gegenleistung durch den Arbeitnehmer, da mit jedem Tag, für den der Arbeitgeber Urlaub gewähre, er von der Verpflichtung zur Gewährung eben dieses Urlaubstages frei werde.
Darüber hinaus sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, überhaupt Urlaub anzuordnen. Einerseits habe wegen der Anzeige der Masseunzulänglichkeit festgestanden, dass die vollständige Befriedigung der Urlaubsentgeltansprüche nicht möglich sei. Der Verwalter hätte daher nicht die Gegenleistung aus dem Vertrag – also die Inanspruchnahme des Urlaubs – wählen dürfen.
Darüber hinaus habe der Kläger der Urlaubsgewährung widersprochen. Der Beklagte habe gegen die Regelung des § 8 Nr. 3.3 BRTV a. F. verstoßen, da die Wünsche des Arbeitnehmers weder erfragt noch in irgendeiner Weise berücksichtigt worden seien. Im Gegenteil habe der Kläger unverzüglich der Verrechnung des Urlaubs innerhalb der Freistellung widersprochen, er habe also anderweitige Wünsche geäußert. Auch sei die Urlaubserteilung durch den Beklagten nicht hinreichend bestimmt gewesen.
Schließlich stehe der Anordnung des Urlaubs auch § 143 Abs. 2 SGB III entgegen, wonach der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ruhe, für die der Arbeitslose Urlaubsabgeltung zu beanspruchen habe.
Der Kläger hat beantragt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.919,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2002 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt war, gegenüber dem Kläger innerhalb des Freistellungszeitraums vom 27.02.2002 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Urlaubsansprüche des Klägers mit der Freistellung zu verrechnen.
Der Beklagte hat den Antrag gestellt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen:
Der Antrag zu 1. sei schon unzulässig, denn bei Ansprüchen, die sich auf den Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.03.2002 bezögen, handele es sich um bloße Insolvenzforderungen im Range des § 38 InsO. Für die Zeit ab dem 01.03.2002 lägen Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO vor, die jedoch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden könnten. Durch die Anordnung von Urlaub nehme der Beklagte gerade keine Gegenleistung für die Masse in Anspruch, denn bei der Insolvenzmasse verbleibe keinerlei Wert, den es zu entschädigen gäbe. Der Anspruch auf Gewährung von Urlaub sei eine bloße Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis und stehe damit nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis. Er sei auch berechtigt gewesen, den Kläger nicht nur von der Arbeitsleistung freizustellen, sondern die Freistellung unter Anrechnung auf die noch bestehenden Urlaubsansprüch...