Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Berücksichtigung von Entgeltpunkten bei einer Tätigkeit im Beitrittsgebiet und Sitz des Arbeitgebers in den alten Bundesländern
Orientierungssatz
Wird eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet ausgeübt und hat der Arbeitgeber seinen Sitz in den alten Bundesländern, werden für diese Beitragszeit keine Entgeltpunkte (Ost), sondern Entgeltpunkte im Rahmen der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ermittelt.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juli 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Rentenberechnung Entgeltpunkte oder Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen sind.
Der Kläger arbeitete vom 19. Juni 1990 bis 31. Oktober 1996 als Handelsvertreter in Ostsachsen für die Firma C. KG Tabakwaren Handel, D. und die Firma E. GmbH & Co. KG, F. Er stellte Zigarettenautomaten im Großraum G. und Ostsachsen auf und betreute sie.
Seit 1. April 2015 bezieht er eine Altersrente, Bescheid vom 25. Februar 2015. Da bei der Rentenberechnung die Beitragszeit vom 19. Juni 1990 bis 31. Oktober 1996 dem Rechtskreis West zugeordnet wurde, wurde sie mit Entgeltpunkten bewertet.
Am 17. Juli 2015 beantragte der Kläger diese Zeit mit Entgeltpunkten (Ost) zu bewerten. Das lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 ab. Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2019 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, bei der Rentenberechnung für die Zeit vom 19. Juni 1990 bis 31. Oktober 1996 Entgeltpunkte (Ost) zu berücksichtigten.
Hiergegen richtet sich die am 22. Juli 2019 eingelegte Berufung der Beklagten.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juli 2019 aufzuheben.
Die Klägerseite beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Es konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hiermit einverstanden sind, § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist begründet.
Der Bescheid vom 6. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 wurden rechtmäßig vom 19. Juni 1990 bis 31. Oktober 1996 Entgeltpunkte berücksichtigt. Der Bescheid ist daher nicht zurückzunehmen, § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird, § 70 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). An die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte treten Entgeltpunkte (Ost) für Zeiten mit Beiträgen für eine Beschäftigung im jeweiligen Geltungsbereich des Reichsversicherungsgesetzes außerhalb der Bundesrepublik Deutschland (Reichsgebiets-Beitragszeiten), § 254 d Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Soweit Vorschriften des SGB VI bei Arbeitsentgelten, Arbeitseinkommen oder Beitragsbemessungsgrundlagen an die Bezugsgrößen anknüpfen, ist die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße (Ost)) soweit sie an die Beitragsbemessungsgrenze anzuknüpfen, ist die Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet (Beitragsbemessungsgrenze (Ost)) maßgebend, wenn die Einnahmen aus der Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt werden, § 228 a SGB VI.
All diesen Vorschriften ist gemeinsam, dass sie regeln, was zu tun ist, wenn an einem bestimmten Ort Einnahmen erzielt und Beiträge gezahlt wurden. Sie enthalten jedoch keine Regelung über den Beschäftigungsort. Dies ist vorliegend Berlin (West), der Sitz der Arbeitgeber des Klägers, da dieser eine Beschäftigung ohne feste Arbeitsstelle an verschiedenen Orten im Beitrittsgebiet ausübte, § 9 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Ausgehend von diesem Beschäftigungsort wurden für den Kläger Entgeltpunkte nach § 70 SGB VI der Rentenberechnung zugrunde gelegt, da die Beitragszeit nicht an einem Beschäftigungsort in den neuen Bundesländern zurückgelegt worden war (vgl. ebenso juris Praxis Kommentar - SGB VI, Jaworowski § 228a, Rn. 13 und Diel in Hauck/Noftz SGB VI, § 228 a SGB VI, Rn. 15.). Die Entgeltpunkt sind daher nicht dem Rechtskreis Ost zuzuordnen, § 254 d SGB VI.
§ 254 d SGB VI ist keine Sondervorschrift zu § 9 SGB IV. Vielmehr regelt sie, welchem Rechtskreis Entgeltpunkte zuzuordnen sind, die an einem nach § 9 SGB IV ermittelten Beschäftigungsort erworben wurden, a. A. Landessozialgericht Thüringen, Az. L 6 RA 369/01 vom 15. Dezember 2003 - juris Rn. 20 ff. Diese Gesetzessystematik kann nicht mit dem Argument durchbrochen werden, dass sie in Einzelfällen möglicherweise zu un...