Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankentransport zur Schule. kein Anspruch auf Kostenerstattung bei erbrachter Naturalleistung. Transportmittel kein geeigneter Ort der speziellen Krankenbeobachtung. Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten zur Schule auch nicht bei Erbringung von häuslicher Krankenpflege. zuständiger Rehabilitationsträger. Zuständigkeit der Krankenkasse bei kurativen Leistungen. kurativer Charakter der Behandlungssicherungspflege
Leitsatz (amtlich)
1. Weil der Anspruch aus § 13 Abs 3a SGB V auf Kostenerstattung oder Kostenfreistellung gerichtet ist, scheidet er aus, wenn der Versicherte die beantragte Leistung als Naturalleistung (hier: nach § 43 SGB I) erhalten hat.
2. Leistungen der speziellen Krankenbeobachtung können während einer Fahrt nicht beansprucht werden, weil Transportmittel keine "geeigneten Orte" im Sinne von § 37 Abs 2 S 1 SGB V sind.
3. § 60 SGB V begründet keinen Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten zur Schule.
4. Eine Krankenkasse schuldet auch dann nicht nach § 60 SGB V die Übernahme von Fahrkosten zur Schule, wenn dort an den versicherten Schüler Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht werden.
5. Die Rechtsfolgen des § 14 SGB IX löst nicht jeder bei einem Rehabilitationsträger gestellte Leistungsantrag aus, sondern nur ein auf Leistungen zur Teilhabe gerichteter Antrag.
6. Die kurativen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen nicht § 14 SGB IX.
7. Eine Krankenkasse bleibt auch nach einem bei einem anderen Rehabilitationsträger gestellten Antrag auf Teilhabeleistungen weiterhin für kurative Leistungen an den Antragsteller zuständig.
8. Eine Krankenkasse wird durch einen bei ihr gestellten Antrag auf kurative Leistungen nicht nach § 14 SGB IX für daneben in Betracht kommende Teilhabeleistungen zuständig.
9. Die Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V ist nicht der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen, sondern hat kurativen Charakter.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für Krankentransporte in Begleitung einer medizinischen Fachkraft für die Fahrt von der Wohnung zur Schule und zurück im Schuljahr 2013/2014 (26.08.2013 bis 18.07.2014).
Die 2006 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer Erregungsleitungsstörung des Herzens (Long-QT-Syndrom [LQTS]) mit körperlichen Leistungsdefiziten und allgemeiner Minderbelastbarkeit. Da am 5. Lebenstag der Klägerin ihre leibliche Mutter verstarb (Verdachtsdiagnose: LQTS), lebt sie im Haushalt ihrer Pflege- und nunmehr Adoptiveltern. Der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zuerkannt; sie bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Zum Schuljahr 2013/2014 erfolgte ihre Aufnahme in die 1. Klasse der X….-Schule Y…., einer Schule für körperbehinderte Menschen.
Mit Schreiben vom 13.04.2013 beantragte die Klägerin bei dem zu 1 beigeladenen Sozialhilfeträger für das Schuljahr 2013/2014 wegen ihrer körperlichen Behinderung (LQTS) Schulbegleitung und Beförderung mit dem Schülerspezialverkehr im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) mit dem Hinweis individueller Einzelfahrdienst, Reanimationserfahrung. Daraufhin teilte der Beigeladene zu 1 der Klägerin unter dem 16.04.2013 mit, er komme eventuell nur als nachrangiger Leistungsträger in Frage; die Klägerin solle sich an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) oder an die Schule wenden. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Dipl.-Med. W…. verordnete der Klägerin am 25.05.2013 für die Zeit vom 26.08.2013 bis 30.09.2013 häusliche Krankenpflege als Schulbegleitung wegen der Notwendigkeit des Erkennens von Belastungsgrenzen mittels Pulsoxymetrie und klinischer Beobachtung sowie der Vornahme entlastender Handlungen wie Beruhigung, Hinlegen und Sauerstoffgabe, gegebenenfalls Reanimation. Diese Verordnung reichte die Klägerin am 31.05.2013 beim Beigeladenen zu 1 ein, der sie am 10.06.2013 an die Beklagte weiterleitete.
Die Beklagte zog Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 31.05.2011 und 18.02.2013, ein von der X….-Schule erstelltes förderpädagogisches Gutachten vom 16.06.2013, einen Bericht des Kinderkardiologen Dr. med. V…. vom 01.07.2013, eine Stellungnahme der Physiotherapeutin U…. vom 11.07.2013, eine Stellungnahme der Kinderärztin Dipl.-Med. W…. vom 12.07.2013 sowie eine Bescheinigung der Schulärztin Dr. med. T…. vom 17.07.2013 bei und holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK ein. Im förderpädagogischen Gutachten wurde die lückenlose Begleitung während des Schulwegs und des gesamten Schulalltags durch einen medizinisch ausgebildeten Schulbegleiter als Einzelfa...