Rz. 27
Nach Abs. 3 Nr. 2 müssen die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) zusammengefasst werden. Die beE unterscheidet sich vom Betrieb bzw. der Betriebsabteilung dadurch, dass in ihr die Verfolgung eines eigenen arbeitstechnischen Zwecks nicht Hauptsache der Tätigkeit ist. Die beE unterscheidet sich also dadurch, dass in ihr im Hinblick auf die Eingliederung der vom Verlust ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmer und die dem Personalstand nicht angemessene Ausstattung mit technischen Arbeitsmitteln die Verfolgung eines arbeitstechnischen Zweckes unter Nutzung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer allenfalls Nebensache ist. Die beE muss also nicht die Voraussetzungen einer Betriebsabteilung erfüllen.
Rz. 28
Erforderlich ist aber eine klare Trennung zu den im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmern. Diese klare Trennung kann durch eine räumliche Trennung oder eine besondere Zuordnung innerhalb der Personalverwaltung erfolgen. Allerdings wird eine Personalaufstockung aus dem produktiven Bereich in die beE für zulässig erachtet.
Rz. 29
Die beE kann unter dem Dach des Unternehmens, das die Betriebsänderung durchgeführt hat, als rechtlich unselbständige Einheit eingerichtet werden (Mutschler, in: NK-SGB III, § 111 Rz. 31). Regelmäßig wird eine beE nicht vom bisherigen Arbeitgeber, sondern von einem neuen Rechtsträger gebildet, der i. d. R. keinen weiteren Betrieb i. S. der Vorschriften über das Kug hat. Es handelt sich dabei um sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Der Arbeitnehmer scheidet aus dem bisherigen Betrieb i. d. R. durch einen 3-seitigen Vertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber und der aufnehmenden Transfergesellschaft aus und begründet gleichzeitig einen befristeten Arbeitsvertrag zur Transfergesellschaft. Eine selbständige beE kann auch von mehreren Arbeitgebern gebildet werden.
Rz. 30
Die zwischen den neuen Vertragspartnern vereinbarten Regelungen knüpfen an diejenigen des aufgelösten Arbeitsvertrages an, werden aber im Hinblick darauf, dass den Arbeitnehmern keine Arbeitsleistung mehr abverlangt werden kann, modifiziert. An die Stelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung der Arbeitnehmer, aktiv an ihrer frühestmöglichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Träger der beE können dennoch als Arbeitsverhältnis angesehen werden, weil es als Fortsetzung des bisher mit dem personalabgebenden Unternehmen bestehenden Arbeitsverhältnisses erscheint und dieses die Möglichkeit gehabt hätte, die Arbeitnehmer gegen Ende ihres Arbeitsverhältnisses zu Eingliederungszwecken von der Arbeitsleistung zu befreien.
Rz. 31
Das Kriterium der Vermeidung von Entlassungen wird auch dann erfüllt, wenn gekündigte Arbeitnehmer während oder nach Ablauf der Kündigungsfrist in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit einmünden. Dies gilt jedoch nur so lange, wie Arbeitslosigkeit bei den gekündigten Arbeitnehmern nicht eintritt. Nach dem Zweck der Regelung verlangt § 111 einen unmittelbaren Übergang der Arbeitnehmer vom entlassenden Betrieb in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit ohne den zwischenzeitlichen Eintritt von Arbeitslosigkeit. Die Voraussetzungen des Abs. 3 Nr. 2 sind dann nicht mehr erfüllt, wenn die in die beE zu übernehmenden Arbeitnehmer bereits arbeitslos geworden sind.
Rz. 32
Die Voraussetzungen des § 111 können nur erfüllt werden, solange eine Entlassung noch nicht wirksam geworden ist. Eine Entlassung ist die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also das Ausscheiden aus dem Betrieb, wenn sie vom Arbeitgeber (Insolvenzverwalter) durch einseitige Willenserklärung aufgrund ordentlicher Kündigung herbeigeführt wird. Sie wird mit Ablauf der Kündigungsfrist wirksam. Beabsichtigt der Insolvenzverwalter, auch die gekündigten Arbeitnehmer einer beE zuzuführen, können diese Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld nur dann erhalten, wenn die Parteien sich über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einig sind und eine "Rücknahme" der Kündigung vereinbart wird, d. h. der Insolvenzverwalter erklärt, aus der Kündigung keine Rechte herleiten zu wollen.
Rz. 33
Eine Verbesserung der Eingliederungschancen nach Abs. 3 Nr. 2 liegt vor, wenn aufgrund des nach Abs. 4 Nr. 4 vorzuschaltenden Profilings Vermittlungshemmnisse bestehen oder eine sofortige Vermittlung in Arbeit nicht möglich ist.
Rz. 34
Soweit das Arbeitsverhältnis zum personalabgebenden Betrieb durch Aufhebungsvertrag beendet wurde, sollte nach Praxis der Bundesagentur für Arbeit die Verweildauer dieser Arbeitnehmer in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den Zeitraum der Kündigungsfrist schon wegen einer möglichen Sperrzeitbedrohung übersteigen.