Rz. 66
§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet dazu, leistungserhebliche Tatsachen richtig und vollständig anzuzeigen. Seit dem 1.4.2012 ist ein Verstoß gegen diese Pflicht insbesondere schon bei der Antragstellung auf Leistungen z. B. durch Verschweigen ausdrücklich nach Abs. 2 Nr. 26 bußgeldbewehrt bis zu 5.000 EUR. Hinter Mängeln bei der Mitteilung wesentlicher Änderungen dürfte der Tatbestand des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I zu den häufig vorkommenden Ordnungswidrigkeiten gehören. Einerseits werden häufig Vordrucke der Bundesagentur für Arbeit verwendet. Darin liegt ein prinzipielles Risiko für Missverständnisse, aus denen heraus bestimmt zwingende und relevante Angaben unterbleiben. Andererseits hängt die Zuerkennung von Ansprüchen eben gerade von den Angaben bei der Antragstellung ab und verführt dazu, leistungsschädliche Tatsachen zu verschweigen.
Rz. 66a
§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet zur richtigen, rechtzeitigen und vollständigen Mitteilung wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen des Anspruchstellers, die für seinen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich sind. Ob sich eine Änderung in den Verhältnissen auf den Anspruch auswirkt, darf der Anspruchsteller nicht selbst beurteilen. Dies muss er der Behörde überlassen. Tut er das nicht, hat er ggf. seinen Irrtum auch zu vertreten. Eine Änderung ist dann als wesentlich anzusehen, wenn die Behörde bei Berücksichtigung der Änderung den bisher erlassenen Verwaltungsakt nicht mehr mit demselben Inhalt erlassen könnte. Allerdings hat ein Leistungsbezieher seine Mitteilungspflichten nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I erfüllt, wenn seine Veränderungsanzeige die relevante Stelle des Leistungsträgers erreicht. Er muss diese Meldung auch dann nicht wiederholen, wenn erkennbar wird, dass der Leistungsträger aus der mitgeteilten Veränderung nicht die gebotenen Konsequenzen zieht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 28.11.2003, 3 Ss 215/03). Seit dem 1.8.2016 gilt Abs. 2 Nr. 26 mit der Formulierung, dass Angaben nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gemacht werden. Damit wurde die frühere Fassung verallgemeinert und erweitert, auch verspätete Angaben sind bußgeldbedroht. Angabe ist gegenüber dem Begriff der Tatsache der allgemeinere und weiter gefasste Begriff, im Einzelfall können auch nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gemachte Angaben, die keine Tatsachen sind, eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Rz. 67
Liegt ein Betrug vor (§ 263 StGB), kommt eine Ahndung nach § 404 nicht in Betracht.
Rz. 68
In der Praxis ist die Unterlassung einer Veränderungsanzeige oder die Verspätung der Mitteilung (seit 1.4.2012 Abs. 2 Nr. 27) der häufigste Fall. Das betrifft insbesondere Massenerscheinungen wie Arbeitsaufnahmen (versicherungspflichtige Beschäftigung, Minijob, Nebenbeschäftigung, selbständige Tätigkeit) mit Einfluss auf den Bezug der Entgeltersatzleistung Arbeitslosengeld. Der monatlich nachträgliche Zahlungsrhythmus dieser Leistungen reduziert geringfügige Verstöße gegen die unverzügliche Mitteilungspflicht auf ein Minimum. Betroffen ist lediglich die Fallgestaltung, bei der das maßgebende Ereignis in eine Zeit kurz vor der Ausführung einer Regelzahlung fällt. Wird hingegen eine Beschäftigung zu Monatsbeginn aufgenommen, bleiben dem Empfänger einer laufenden Entgeltersatzleistung ca. 4 Wochen, um die Veränderung so rechtzeitig mitzuteilen, dass sich die Veränderungsanzeige noch auf die rückwirkende Zahlung, die am Monatsende veranlasst wird, auswirkt. Ist in diesem Zeitraum eine Mitteilung an die Arbeitsverwaltung nicht ergangen, muss sich der Leistungsempfänger vorhalten lassen, gegen seine Anzeigepflicht zumindest grob fahrlässig verstoßen zu haben, wenn er nicht gar dem Vorwurf ausgesetzt wird, er habe die Veränderungsanzeige vorsätzlich unterlassen, um weiterhin in den Genuss der Geldleistungen zu kommen. Es genügt, wenn der Betroffene seiner Anzeigepflicht mündlich nachgekommen ist. Selbst die Vorschrift, nach der Vordrucke der Agentur für Arbeit benutzt werden sollen, ändert daran nichts, weil diese Soll-Vorschrift lediglich der Verwaltungseffizienz dient, aber nicht zur Schriftlichkeit von Veränderungsanzeigen zwingt (OLG Hamm, Beschluss v. 2.2.2006, 3 Ss 478/05). In der Abhebung zu Unrecht überwiesener Unterstützungsleistungen liegt danach auch keine konkludente Vortäuschung, dass die Voraussetzungen für die Unterstützung noch vorliegen bzw. vorgelegen haben. Vielmehr nutze der Abhebende bei dieser Fallgestaltung lediglich den bei den Mitarbeitern der Agentur für Arbeit bereits bestehenden Irrtum aus.
Rz. 69
Eine besondere Betrachtung ist bei Änderungen der Steuerklasse geboten (vgl. Komm. zu § 153).
Abs. 3 sieht für Verstöße nach Abs. 2 Nr. 27 ein Bußgeld bis zu 5.000 EUR vor.