Leitsatz
Leistet der Käufer eines Mietobjekts an den Verkäufer infolge einer Vertragsaufhebung Schadenersatz, um sich von seiner gescheiterten Investition zu lösen, so kann er seine Aufwendungen als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten absetzen (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 15.11.2005, IX R 3/04, BStBl II 2006, 258, BFH-PR 2006, 100).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Dezember 1998 ein Mietwohngrundstück zu einem Kaufpreis von 3,9 Mio. DM, fällig bis zum 31.12.1998. Noch im selben Monat wurde der Kaufvertrag wegen nicht möglicher Finanzierung aufgehoben. Der Kläger musste an die Verkäuferin 250.000 DM Schadenersatz leisten.
Die im Streitjahr 1999 geleistete Zahlung machte er ebenso wie mit dem Grundstückserwerb und der Aufhebung des Kaufvertrags zusammenhängenden Notar- und Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.
FA und FG lehnten dies ab, weil die Aufwendungen der Beendigung der Einkünfteerzielung gedient hätten. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH waren die streitigen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Kläger habe den Schadenersatz leisten müssen, um die – im Kauf des Mietgrundstücks liegende – gescheiterte Investition zu beenden.
Dass der Aufhebungsvertrag nicht aufgrund eines Prozessvergleichs, sondern außergerichtlich zustande gekommen sei, habe für die steuerrechtliche Bewertung keine Bedeutung. Ein die ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer Zusammenhang dieser Aufwendungen sei jedenfalls nicht ersichtlich.
Weil der Grundstückskaufvertrag vor dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums rückgängig gemacht worden sei, liege darin auch kein Veräußerungsgeschäft (vgl. BFH, Urteil vom 20.1.1987, IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428). Es könne deshalb offen bleiben, ob mit dem Schadenersatz wegen Nichterfüllung durch die Vertragsaufhebung verhinderte Wertveränderungen ausgeglichen werden sollten, die als solche nur dann steuerrechtlich bedeutsam wären, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG vorlägen.
Auch die im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag und dessen Aufhebung angefallenen Rechtsanwalts- und Notarkosten könne der Kläger als Werbungskosten geltend machen (vgl. zu Rechtsverfolgungskosten BFH-Urteil vom 6.12.1983, VIII R 102/79, BStBl II 1984, 314).
Hinweis
Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu gehören vor Einnahmeerzielung entstandene Aufwendungen als sog. vorab entstandene Werbungskosten, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht (BFH, Beschluss vom 4.7.1990, GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; BFH, Urteil vom 11.1.2005, IX R 15/03, BFH-PR 2005, 247); sie sind trotz Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht weiter abziehbar, sofern der Steuerpflichtige – nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat – etwas aufwendet, um sich aus der vertraglichen Verbindung (im Streitfall aus dem abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag) zu lösen (BFH, Beschluss vom 5.11.2001, IX B 92/01, BFH-PR 2002, 95). Denn der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, so lange er nicht durch eine der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung (z.B. dem Zusammenhang mit einem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn) überlagert wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.6.2006, IX R 45/05