Rz. 3
§ 113 Abs. 2 normiert die prägenden, wesentlichen Leistungen zur Sozialen Teilhabe in einem offenen Katalog ("insbesondere"). In Nr. 9 von Abs. 2 der Vorschrift wird die Besuchsbeihilfe ausdrücklich als Teilhabeleistung benannt. Die Konkretisierung der Besuchsbeihilfe - für die anderen Leistungen zur Sozialen Teilhabe geschieht dies über § 113 Abs. 3 in den §§ 77 bis 84 – findet sich in § 115, damit also im Recht der Eingliederungshilfe, weil das allgemeine soziale Teilhaberecht in den §§ 76 ff. Besuchsbeihilfen nicht vorsieht.
Rz. 4
Während auf Leistungen zur Sozialen Teilhabe bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (§ 38 SGB I), ist dies bei der Besuchshilfe nicht der Fall, vielmehr besteht nach dem klaren Wortlaut des § 115 lediglich ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ("können"; § 39 SGB I). Das Fehlen eines Rechtsanspruchs ist damit zu begründen, dass es sich bei der Besuchsbeihilfe (lediglich) um eine unselbständige, sich zur Hauptleistung (§ 113 Abs. 2 Nr. 1 bis 8) komplementär verhaltende Nebenleistung handelt; unselbständig deshalb, weil eine eigenständige, isoliert zu erbringende Besuchsbeihilfe über kein Substrat verfügt, dem zu dienen sie bestimmt wäre. Daher setzt die Besuchsbeihilfe eine andere an den Leistungsberechtigten zu erbringende Leistung zur Sozialen Teilhabe voraus. Zu dieser Hauptleistung steht die Besuchsbeihilfe als Nebenleistung in einem komplementären Verhältnis, ohne deren integraler Bestandteil zu sein (missverständlich insoweit: LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 27.11.2019, L 9 SO 20/18, Rz. 34). Sie ist ein zusätzlicher Leistungstatbestand der Eingliederungshilfe "sui generis" (vgl. auch RegE BTHG, BT-Drs. 18/9522, zu § 113; im Ergebnis ebenso: Mayer, in: Oestreicher/Decker, SGB XII, § 54 Rz. 119, unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.10.2007, L 12 SO 19/06).
Rz. 5
Eine wesentliche Folge dieser Systematik besteht darin, dass im Rahmen der Besuchsbeihilfe die Vorschriften über den Beitrag, den der Leistungsberechtigte zu den Aufwendungen der Leistung aufzubringen oder – je nach Leistungsart – nicht aufzubringen hat (§§ 135 ff.), keine Anwendung finden. Vielmehr entspricht es dem Wesen einer im Wege des Ermessens zu leistenden Beihilfe, dass diese die Besuchskosten ganz oder auch nur zu einem Teil abdecken können. Der nach § 115 Leistungsberechtigte hat im letzteren Fall die verbleibenden Besuchskosten selbst zu tragen (BVerwG, Uteil v. 11.3.1970, V C 112/69; Mayer, in: Oestreicher/Decker, SGB XII, § 54 Rz. 119)
Rz. 6
Von der Beihilfe zu den Kosten einer Besuchsreise ist die Assistenzleistung für eine Begleitperson zu unterscheiden (§ 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 1). Diese Leistung ist, anders als die Besuchsbeihilfe, keine Komplementärleistung, vielmehr "umfasst" (§ 78 Abs. 2 Satz 2) die Assistenzleistung u. a. auch die Begleitung des Leistungsberechtigten, sie ist deren integraler Bestandteil.
Rz. 7
Die persönliche Begleitung im Rahmen der Assistenz hat daher keine Berührungspunkte mit der Besuchsbeihilfe. Beide Leistungen stehen unverbunden nebeneinander und verfolgen unterschiedliche Zwecke: Im Fall der Besuchsbeihilfe ist das die Kommunikation mit Angehörigen im Rahmen gegenseitiger Besuche, im anderen Fall die begleitende Unterstützung der Bewältigung des Alltages (§ 78 Abs. 1 Satz 1). Als zwingende Folge sind die Regelungen des Aufwendungsbeitrages des Leistungsberechtigten anzuwenden (§§ 135 ff.).