Rz. 5
Das Integrationsamt hat im Zustimmungsverfahren, um seine Ermessensentscheidung in sachgerechter Weise treffen zu können, anknüpfend an den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung und von ihm ausgehend, von Amts wegen all das zu ermitteln und dann auch zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen der schwerbehinderten Menschen und seines Arbeitgebers gegeneinander abwägen zu können. Das Integrationsamt ist nicht der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für seine Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen. Gründet es dem entgegen seine Entscheidung auf unrichtige Behauptungen, dann begeht es einen Ermessensfehler. Diese Aufklärungspflicht, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 SGB X findet, wird verletzt, wenn sich das Integrationsamt (oder der zuständige Widerspruchsausschuss — vgl. hierzu § 202) damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen (BVerwG, Beschluss v. 6.2.1995, 5 B 75.94, Anknüpfung an BVerwG, Urteil v. 2.7.1992, 5 C 51.90).
Das Integrationsamt ist verpflichtet, eine Stellungnahme des Betriebsrates oder des Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung einzuholen.
Rz. 6
Die Einholung einer Stellungnahme der zuständigen Agentur für Arbeit ist anders als noch bei Inkrafttreten des SGB IX – dort erst durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages (Ausschuss-Drs. 14/1406 Nr. 49 zu § 87) in die Vorschrift aufgenommen worden – mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ab dem 1.5.2004 nicht mehr vorgesehen. Die Einholung einer Stellungnahme sollte den Zweck haben, frühzeitig Maßnahmen durch die Arbeitsämter einleiten zu können, um Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen zu vermeiden oder frühzeitig beenden zu können. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung im Bundesrat vertraten die Länder jedoch die Auffassung, auf die Einholung einer Stellungnahme des Arbeitsamtes könne verzichtet werden. Eine nur formularmäßige Stellungnahme führe nur zu einer unnötigen Verlängerung des Verfahrens (BR-Drs. 746/03 [Beschluss] zu Art. 1 Nr. 20b, § 87 Abs. 2).
Die Bundesregierung schloss sich in ihrer Gegenäußerung dieser Auffassung an. Ein von den Koalitionsfraktionen im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages eingebrachter Änderungsantrag (Ausschuss-Drs. 409) wurde einstimmig angenommen.
Rz. 7
Die Einholung einer Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung ist erforderlich, damit das Integrationsamt prüfen kann, ob die Schwerbehindertenvertretung von dem Arbeitgeber gemäß § 178 Abs. 2 beteiligt worden ist. Ist eine solche Beteiligung nicht erfolgt, dann ist eine solche Kündigung unwirksam (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der durch Art. 2 des BTHG mit Wirkung zum 30.12.2016 geänderten Fassung, § 178 Abs. 2 Satz 3 in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung).
Rz. 8
Die Stellungnahmen sind — soll eine Zustimmung zur Kündigung nicht bereits aus diesem Grunde fehlerhaft und damit anfechtbar sein — in dem Verwaltungsverfahren eingeholt werden. Es gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze des SGB X, also auch die Regelungen zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern (§ 41 SGB X). Danach kann eine erforderliche Anhörung Beteiligter (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) und die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde (§ 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X) auch bis zum Abschluss eines Widerspruchsverfahrens, jedoch nicht erst im Klageverfahren, nachgeholt werden.
Rz. 9
Zu dem Antrag des Arbeitgebers ist vor einer Entscheidung des Integrationsamtes auch der schwerbehinderte Mensch anzuhören. Dieses Erfordernis ergibt sich bereits aus § 24 SGB X, wonach vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dieser zwingend anzuhören ist. Der schwerbehinderte Mensch ist im Verwaltungsverfahren, das (s. o.) mit dem Eingang des Antrags bei dem Integrationsamt beginnt, anzuhören. Das heißt, dem Erfordernis der Anhörung wird nicht genügt, wenn der Arbeitgeber seinem Antrag eine Stellungnahme des schwerbehinderten Menschen bereits beifügt. Ist die Anhörung des schwerbehinderten Menschen im Verwaltungsverfahren unterblieben, so gilt ebenfalls, dass eine Anhörung bis zum Abschluss eines Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden kann.