0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch Art. 9 Nr. 17 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) wurde Abs. 1 Satz 1 mit Wirkung zum 1.1.2004 geändert. Als Folge daraus, dass den Landesarbeitsämtern gesetzlich keine Aufgaben mehr zugewiesen werden, tritt an die Stelle des Landesarbeitsamtes nunmehr die Bundesagentur für Arbeit.
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 117 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 200. Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem bisherigen § 117.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift regelt die Entziehung des Schutzes als schwerbehinderter Mensch.
2 Rechtspraxis
2.1 Entziehung der besonderen Hilfen
Rz. 2
Die Regelung gibt dem Integrationsamt die Befugnis, schwerbehinderten Menschen und gleichgestellten behinderten Menschen (Abs. 1 Satz 2), die durch ihr Verhalten ihre Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereiteln, die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen (bis 30.6.2001 in § 39 des Schwerbehindertengesetzes: "die Vorteile dieses Gesetzes") zeitweilig zu entziehen. Abs. 1 Satz 1 nennt 3 Beispiele, nämlich die Zurückweisung und die Aufgabe eines zumutbaren Arbeitsplatzes sowie die Weigerung ohne berechtigten Grund, an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen. Das Integrationsamt ist im Übrigen zur Entziehung befugt, wenn der schwerbehinderte Mensch "sonst" durch sein Verhalten die Teilhabe am Arbeitsleben vereitelt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der schwerbehinderte oder gleichgestellte Mensch zu erkennen gibt, an einer Eingliederung in das Arbeitsleben nicht interessiert zu sein.
Rz. 3
Die Vorschrift hat in der Praxis keine große Bedeutung, zumal es für die genannten Sachverhalte – jedenfalls für arbeitslose oder infolge der Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses von Arbeitslosigkeit bedrohte schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen – andere Sanktionsmöglichkeiten gibt. Hat sich nämlich ein Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen versicherungswidrig verhalten, indem er sich geweigert hat, an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung, einer Trainingsmaßnahme oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III teilzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, tritt eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen ein. Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitsloser das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III).
Das gilt ferner, wenn ein Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Rz. 4
Für die zeitweilige Entziehung in Betracht kommen die besonderen Hilfen des Kündigungsschutzes und des Zusatzurlaubs. Diese Sanktionen laufen aber leer, wenn der Grund für die Entziehung die Weigerung des schwerbehinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, ist. Weitere Sanktionen, etwa die Aberkennung der Schwerbehinderteneigenschaft oder die Einziehung des Ausweises, sind nicht möglich. Die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch entsteht kraft Gesetzes, die Feststellung der Eigenschaft durch einen Bescheid hat keinen konstitutiven, sondern nur deklaratorischen Charakter. Die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch besteht auch während der Zeit der Entziehung der besonderen Hilfen fort, was auch in der gesetzlichen Formulierung zum Ausdruck kommt. Das Integrationsamt ist im Übrigen für die Ausstellung von Ausweisen über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht zuständig, ebenso wenig für die Einziehung von Ausweisen. Diese können im Übrigen nur eingezogen werden, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 weggefallen sind; diese bestehen aber weiterhin fort.
Rz. 5
Das Integrationsamt ist bei Vorliegen eines der genannten Sachverhalte nicht verpflichtet, die besonderen Hilfen zu entziehen, es kann dies nach freiem Ermessen tun. Vor der Entscheidung hat das Integrationsamt das Benehmen mit der Bundesagentur für Arbeit herzustellen. Die Vorschrift benennt ausdrücklich "Benehmen" und nicht "Einvernehmen"; das heißt, das Integrationsamt hat die Bundesagentur für Arbeit um eine Stellungnahme zu bitten, ist an eine solche bei der Entscheidung jedoch nicht gebunden. Etwas anderes würde gelten, wenn das Integrationsamt das "Einvernehmen" herzustellen hätte. Dann müsste eine gemeinsame Auffassung herbeigeführt werden, mit der Folge, dass – wenn die Bundesagentur anderer Auffassung als das Integrationsamt wäre – eine Entscheidung des Integrationsamtes nicht ergehen dürfte.
2.2 Anhörung
Rz. 6
Abs. 2 Satz 1 schreibt die Anhörung des schwerbehinderten (und gleichge...