Rz. 3
Die Vorschrift befasst sich mit dem Verfahren zur Feststellung einer Behinderung und des Grades einer Behinderung und bestimmt die für die Feststellungen zuständigen Behörden.
Zuständig sind grundsätzlich die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden, also die Versorgungsämter. Das bestimmt Satz 1. Mit dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist in Abs. 1 jedoch ein Satz angefügt worden, der bestimmt, dass durch Landesrecht die Zuständigkeit auch abweichend von Satz 1 geregelt werden kann.
Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat die Auffassung vertreten, die Verbindung der Aufgaben nach dem SGB IX und dem BVG sei nicht zwingend. Die Zuständigkeitsregelung brauche nicht durch den Bundesgesetzgeber getroffen werden, sie könne den Ländern überlassen werden. Mit dieser Begründung hatte der Bundesrat zu dem vom Deutschen Bundestag am 16.1.2004 beschlossenen Gesetz in seiner 796. Sitzung den Vermittlungsausschuss angerufen (BR-Drs. 48/04 – Beschluss).
Als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens wurde dem Anliegen verschiedener Länder insoweit entsprochen, als es grundsätzlich dabei bleiben sollte, dass für die Feststellungen die nach dem BVG zuständigen Behörden, also die Versorgungsämter zuständig bleiben sollten, es den Ländern jedoch durch eine "Öffnungsklausel in Abs. 1" ermöglicht wurde, auch andere Behörden in ihrem jeweiligen Land bestimmen zu können. Dieser Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 31.3.2004 (BT-Drs. 15/2830, BR-Drs. 253/04) sind der Deutsche Bundestag und der Bundesrat in ihren Sitzungen am 1.4. bzw. 2.4.2004 gefolgt.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat inzwischen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Mit dem Zweiten Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen v. 30.10.2007, das am 20.11.2007 im GVBl. NW verkündet wurde, sind die Versorgungsämter Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal mit Ablauf des 31.12.2007 aufgelöst worden (Art. 1 § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen).
Die bisher den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben (neben der Durchführung des Verfahrens nach dieser Vorschrift auch die Ausgabe von Wertmarken für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr; s. § 145) sind mit Wirkung zum 1.1.2008 auf die Kreise und die kreisfreien Städte übertragen worden (Art. 1 § 2 Abs. 1 des oben genannten Gesetzes).
Das Verfahren ist nur auf Antrag durchzuführen, antragsberechtigt ist allein der behinderte Mensch. Der Schwerbehindertenstatus gehört zum grundrechtlich geschützten Bereich der Persönlichkeitsrechte; über dieses Recht kann der schwerbehinderte Mensch nach seinem Belieben verfügen. Ihm ist freigestellt, die Feststellung ebenso wie einen Ausweis darüber zu beantragen, von einer Feststellung und von einem Ausweis Gebrauch zu machen und einzelne Behinderungen von der Feststellung auszunehmen.
Rz. 3a
Durch Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurden mit Wirkung zum 30.12.2016 Abs. 1 Satz 1 ergänzt und ein neuer Satz 2 eingefügt. Mit der Einfügung der Wörter "zum Zeitpunkt der Antragstellung" in Satz 1 soll nunmehr nach dem Willen des Gesetzgebers klargestellt werden, von welchem Zeitpunkt an die behördliche Feststellung einer Behinderung sowie des Grades der Behinderung zu treffen ist. Tatsächlich handelt es sich um eine Klarstellung, denn in der Praxis wurde bisher i. d. R. so verfahren. Damit war aber nicht ausgeschlossen, dass auch rückwirkende Feststellungen zulässig waren, nämlich dann, wenn der antragstellende Mensch ein besonderes Interesse an einer auch rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch geltend gemacht hatte. Das konnte z. B. für den Bezug einer vorgezogenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach dem SGB VI oder steuerrechtliche Fragen (Steuerfreibetrag nach § 33 b Einkommensteuergesetz, Befreiung oder Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer) eine Rolle spielen. Der mit dem Bundesteilhabegesetz nun eingefügte Satz 2 stellt nun klar, dass eine rückwirkende Feststellung möglich ist, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Der Gesetzgeber lässt in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 18/9522, Begründung zu Art. 2 Nr. 2b) zwar offen, was er als "besonderes Interesse" sieht. Er hat mit dieser Klarstellung aber die Praxis rechtsfest gemacht und dem antragstellenden Menschen die rechtlich durchsetzbare Möglichkeit gegeben, auch eine rückwirkende Feststellung geltend zu machen. Zwar ist mit der Formulierung der bearbeitenden Stelle ein Ermessensspielraum ("kann") eingeräumt worden. Aber auch hier gilt, dass der Ermessensspielraum auch "auf Null" reduziert sein kann und zwar dann, wenn das "besondere Interesse" schwerwiegend ist.
Rz. 4
Ist der ...