Rz. 17
Mit der Regelung des Abs. 2a (ab 1.1.2018 Abs. 3) ist eine weitere Ausnahme von der Anwendung der Vorschriften über den besonderen Kündigungsschutz eingefügt worden.
Der Bundesrat sah es für erforderlich an, zunehmendem Missbrauch des Kündigungsschutzes entgegenzuwirken, der sich darin zeigte, dass Arbeitnehmer ein von vornherein aussichtsloses Feststellungs- oder Gleichstellungsverfahren in die Wege leiteten mit dem Ziel, für die Zeit dieses Verfahrens den Kündigungsschutz in Anspruch nehmen zu können. Der Bundesrat hatte deshalb vorgeschlagen, dass der Kündigungsschutz nur dann gelten solle, wenn der schwerbehinderte Mensch dem Arbeitgeber vor der Kündigung den Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch oder den Gleichstellungsbescheid vorgelegt habe.
Die Koalitionsfraktionen nahmen dieses Anliegen, das auch in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages am 12.11.2003 angesprochen worden war, auf. In dem Änderungsantrag schlugen die Koalitionsfraktionen jedoch eine von dem Vorschlag des Bundesrates abweichende Formulierung vor. Für die Anwendung der Vorschriften über den besonderen Kündigungsschutz sollte es nicht auf die Vorlage des Ausweises als Nachweis der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ankommen, weil der besondere Kündigungsschutz auch für diejenigen schwerbehinderten Menschen gelten sollte, deren Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig ist, die aber auf den (deklaratorischen) Feststellungsbescheid und den möglichen Ausweis verzichten.
Deshalb bedarf der Arbeitgeber zur Kündigung nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist, also entweder nicht offenkundig ist, so dass es eines durch ein Feststellungsverfahren zu führenden Nachweises nicht bedarf, oder der Nachweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht durch einen Feststellungsbescheid nach § 152 Abs. 1 (oder alternativ die eine Feststellung nach § 152 Abs. 1 ersetzenden Bescheide, Entscheidungen oder Bescheinigungen i. S. d. § 152 Abs. 2) erbracht wird.
Daneben gilt der Kündigungsschutz auch in den Fällen, in denen ein Verfahren zur Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bei dem zuständigen Versorgungsamt zwar anhängig, über den Antrag aber ohne ein Verschulden des Antragstellers im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht entschieden ist.
Rz. 18
Die mit dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen eingeführte Vorschrift ist in der Literatur als unklar und unglücklich formuliert bezeichnet worden. Der Gesetzgeber habe das Ziel, Rechtsklarheit darüber zu schaffen, in welchen Fällen der Kündigungsschutz gelte, nicht erreicht.
Das BAG sorgt in seiner Entscheidung v. 1.3.2007, 2 AZR 217/06, in mehrfacher Hinsicht für Klarheit.
Abs. 2a (ab 1.1.2018 Abs. 3) gilt auch für den schwerbehinderten Menschen gleichgestellten behinderten Menschen. Dies ist in der Literatur teilweise verneint worden. Diese Auffassung wurde überwiegend auf den Wortlaut der Vorschrift gestützt, der nur von schwerbehinderten Menschen spricht.
In anderen Quellen und auch in der Rechtsprechung (so LAG Baden-Württemberg in 2 Entscheidungen) ist dagegen zum Ausdruck gebracht, dass Abs. 2a (ab 1.1.2018 Abs. 3) auch auf das Gleichstellungsverfahren anwendbar sei, weil eine Besserstellung der weniger schutzbedürftigen Gruppe der gleichgestellten behinderten Menschen sachlich nicht zu rechtfertigen und mit dem Zweck der Regelung des bisherigen § 90 Abs. 2a (ab 1.1.2018 § 173 Abs. 3) nicht zu vereinbaren sei.
Dieser Auffassung schließt sich das BAG in seiner Entscheidung an. Es führt hierzu aus, dass der Wortlaut der Anwendung der Norm auf Gleichgestellte nicht entgegenstehe. Aufgrund der Generalverweisung des § 68 Abs. 3 (ab 1.1.2018 § 151) seien auf gleichgestellte behinderte Menschen – mit Ausnahme der Vorschriften über den Zusatzurlaub und die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr – die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen anzuwenden. Ebenso wie also die Kündigung eines gleichgestellten behinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedürfe, obwohl auch § 85 sich nach dem Wortlaut nicht auf diese beziehe, gelte auch die Vorschrift über die Ausnahme für diese Personengruppe.
Der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft wie auch der Antrag auf Gleichstellung muss mindestens 3 Wochen vor der Kündigung gestellt worden sein.
§ 152 Abs. 1 Satz 3, auf den Abs. 3 in seiner 2. Alt. Bezug nimmt, verweist auf die Fristen des § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3, sowie auf § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 die sich auf die Feststellung von Rehabilitationsbedarf beziehen. Dort ist bestimmt, dass der Reha-Träger innerhalb von 3 Wochen nach Antragseingang entscheidet (§ 14 Abs. 2 Satz 2). Ist für die Feststellung eines Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlic...