0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wurden mit Wirkung zum 30.12.2016 Abs. 1 Satz 1 geändert, Abs. 4 neu gefasst und ein Abs. 8 angefügt.
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 94 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 177. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 94, in den Abs. 1, 4 und 8 i. d. F. der Änderungen durch Art. 2 dieses Gesetzes.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift trifft Regelungen zur Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretungen.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzung für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung
2.1.1 Vertrauensperson
Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass in Betrieben und Dienststellen, in denen mindestens 5 schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen ist. Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Kollektivorgan, dessen Mitgliederzahl von der Zahl der Beschäftigten abhängig ist, vielmehr besteht die Schwerbehindertenvertretung aus einer Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied.
2.1.2 Stellvertretende Mitglieder/Aufgaben
Rz. 3
Voraussetzung für das Zustandekommen einer Schwerbehindertenvertretung ist aber nicht, dass auch ein stellvertretendes Mitglied gewählt wird. Geht für die Wahl eines stellvertretenden Mitglieds kein gültiger Wahlvorschlag ein, hat dies der Wahlvorstand unverzüglich bekannt zu machen und eine Nachfrist für die Einreichung von Wahlvorschlägen zu setzen (§ 7 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen). § 7 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung, der besagt, dass in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen ist, dass die Wahl nur stattfinden kann, wenn innerhalb der Nachfrist mindestens ein gültiger Wahlvorschlag eingereicht wird, sowie Abs. 2, wonach der Wahlvorstand im Falle, dass innerhalb der Nachfrist keine gültigen Wahlvorschläge eingehen, danach bekannt zu geben hat, dass die Wahl nicht stattfindet, bezieht sich nur auf die Wahl der Vertrauensperson, nicht auf die Wahl von stellvertretenden Mitgliedern.
Rz. 4
Die Zahl der stellvertretenden Mitglieder ist nicht vorgeschrieben, vielmehr wird sich die Zahl nach der Betriebsgröße und der Zahl der zu betreuenden schwerbehinderten Menschen richten. Wie viele stellvertretende Mitglieder zu wählen sind, wird von dem zur Vorbereitung der Wahl bestellten (§ 1 Abs. 1 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen) oder in der Wahlversammlung gewählten (§ 1 Abs. 2 der Wahlordnung) Wahlvorstand nach Erörterung mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebs- oder Personalrat und dem Arbeitgeber beschlossen (§ 2 Abs. 4 der Wahlordnung).
Rz. 5
Aufgabe des stellvertretenden Mitglieds bzw. der stellvertretenden Mitglieder ist es, die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung zu vertreten. Eine weitere Aufgabe bestimmt § 178 Abs. 1 Satz 4 und 5 in der durch Art. 2 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) mit Wirkung zum 30.12.2016 geänderten Fassung in Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Hier kann die Vertrauensperson das stellvertretende Mitglied bzw. im Fall der Wahl mehrerer stellvertretender Mitglieder das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben ständig heranziehen (Satz 4) sowie ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte (weitere) stellvertretende Mitglied heranziehen (Satz 5).
Die bisherige Einschränkung, dass eine Heranziehung nur im Falle der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben möglich sein sollte, ist durch Art. 2 des Bundesteilhabegesetzes v. 23.12.2016 mit Wirkung zum 30.12.2016 gestrichen worden. Ausgangspunkt war eine Entscheidung des BAG v. 22.8.2013 (8 AZR 574/12). In diesem Urteil hatte das BAG ausgeführt, dem Schwerbehindertenrecht fehle es an einer hinreichend offenen Vertretungsregelung. In dem Verfahren ging es um eine Bewerbung einer schwerbehinderten Vertrauensperson, die sich auf eine Stelle in dem Unternehmen beworben hatte. Hier hatte der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt, weil die Vertrauensperson selbst der Bewerber war und damit eine Betroffenheit in eigener Sache bestehe. Eine Heranziehung des stellvertretenden Mitglieds sei nur bei einer Verhinderung der Vertrauensperson durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben möglich. Ein solcher Verhinderungsfall habe aber nicht vorgelegen.
Durch die Streichung dieser einschränkenden Gründe ist nunmehr auch eine Vertretung durch ein stellvertretendes Mitglied in Angelegenheiten möglich, in denen die Vertrauensperson individuell und unmittelbar betroffen ist.
Rz. 6
Es kommt nicht darauf an, dass die schwerbehinderten Menschen auf Arbeitsplätzen i. S.d. § 156 Abs. 1 beschäftigt sind. Eine § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 4 des Betriebsverfassungsgesetzes vergleichbare Ausschlussregelung, won...