Rz. 56
Menschen mit Behinderung und diejenigen, die von einer Behinderung bedroht sind (vgl. § 2), können nach § 64 Abs. 1 Nr. 4 als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation Funktionstraining beanspruchen.
Das Funktionstraining ist ein für diese Zielgruppe entwickeltes Bewegungstraining in Form von krankengymnastischen/ergotherapeutischen Übungen in der Gruppe. Ziel ist, die Betroffenen auf Dauer in das Arbeitsleben und in die Gesellschaft einzugliedern oder das Rehabilitationsziel zu sichern.
Rz. 57
Die Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsträger sowie die Träger der Kriegsopferversorgung erbringen Funktionstraining als ergänzende Leistungen nach § 43 SGB V, § 28 SGB VI, § 39 SGB VII, § 10 Abs. 1 ALG sowie nach 11 Abs. 5 und § 12 Abs. 1 BVG jeweils i. V. m. § 64 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX.
Das Funktionstraining dient der Verbesserung der körperlichen Strukturen (Muskeln, Gelenke usw.) des Anspruchsberechtigten. Es soll bei Bedarf ergänzend zu den medizinischen Leistungen, zu denen auch die Heilmittel i.S.d. § 32 SGB V zählen, eingesetzt werden. Es dient in der Akutphase einer zu behandelnden Krankheit nicht als Ersatz für die Krankengymnastik und die Physiotherapie (obwohl es in der täglichen Praxis aufgrund der geltenden Richtgrößen, d. h. definierte Höchstverordnungsmengen, oft genug als Heilmittelersatz verordnet wird).
Das Funktionstraining kann auch präventiv
- der Verbesserung der körperlichen, seelischen und sozialen Krankheitsfolgen und/oder
- der Vermeidung von drohenden Behinderungen (z.B. bei chronisch kranken Menschen) oder der Vermeidung einer Verschlimmerung einer bereits bestehenden Behinderung.
dienen. Gerade wegen des letzten Punktes kann das Funktionstraining in der Krankenversicherung auch dann verordnet werden, wenn bei dem betreffenden Menschen vorher keine medizinische Rehabilitationsleistung i.S.d. § 40 SGB V durchgeführt wurde.
Nicht anspruchsberechtigt sind Versicherte, die im Rahmen der normalen Krankheitsprävention etwas für ihre Gesundheit tun wollen und bei denen aufgrund fehlender Anzeichen wahrscheinlich nicht damit zu rechnen ist, dass die Krankheit irgendwann einmal zu einer chronischen Erkrankung oder sogar zu einer Behinderung (mit Barrieren bzw. Funktions- oder Fähigkeitseinschränkungen) führen wird. Außerdem sind sportliche Übungen, die lediglich der Erzielung oder Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens dienen (freies Schwimmen an sog. Warmbadetagen – auch wenn sie in Gruppen durchgeführt werden), von der Finanzierung durch die Rehabilitationsträger ausgeschlossen.
Rz. 58
Art, Umfang, Dauer und Weise des Funktionstrainings werden vom Gesetzgeber an keiner Stelle definiert. Zur Ausgestaltung der sich aus § 64 Abs. 1 Nr. 4 ergebenden Ansprüche schlossen deshalb die Spitzenverbände der beteiligten Rehabilitationsträger einerseits und u. a. die auf Bundesebene wirkenden Sportverbände andererseits unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR, Frankfurt) mit Wirkung zum 1.1.2022 eine neue Rahmenvereinbarung. Sie löste die in der Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2021 geltende Rahmenvereinbarung ab. Wesentliche Teile der ab 1.1.2022 geltenden Rahmenvereinbarung (ohne Anlagen) sind unter Rz. 80 und wesentliche Teile der in der Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2021 geltenden Rahmenvereinbarung sind unter Rz. 82 abgedruckt.
Für die vertraglichen Beziehungen zwischen Rehabilitationsträgern und den Funktionstrainingsanbietern ist die Rahmenvereinbarung die maßgebliche Grundlage. Als Folge haben sich die anerkannten Funktionstrainingsanbieter dazu verpflichtet, die Rahmenvereinbarung – in der jeweils geltenden Fassung – zu beachten.