Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn sich der Eigentümer zugunsten seines Kindes der Nutzungsbefugnis begibt, indem er dem Kind ein Nutzungsrecht einräumt und sodann (sein Eigentum) wieder anmietet (BFH v. 18.10.1990 – IV R 36/90, BStBl. II 1991, 205). Denn das Ziel einer derartigen Gestaltung besteht darin, dem Kind laufend Geldbeträge zuzuwenden, die nach § 12 Nr. 2 EStG grundsätzlich nicht abzugsfähig sind, aufgrund der Gestaltung nun jedoch bei den Eltern zu abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten führen würden (s. hierzu auch BFH v. 17.1.1991 – IV R 132/85, BStBl. II 1991, 607 u. BFH v. 23.4.1992 – IV R 46/91, BStBl. II 1992, 1024).
Beraterhinweis Generell gilt, dass mietrechtliche Gestaltungen dann unangemessen i.S.v. § 42 AO sind, wenn derjenige, der einen Gebäudeteil für eigene wirtschaftliche Zwecke benötigt, einem andern daran die wirtschaftliche Verfügungsmacht einräumt, um ihn anschließend wieder zurückzumieten (BFH v. 9.10.2013 – IX R 2/13, BStBl. II 2014, 528 = EStB 2014, 160 [Siebenhüter]).
Wird ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins i.H.d. dauernden Last vereinbart, greift § 42 AO. Denn dieses Vertragsgeflecht stellt den Verzichtenden i.Erg. so, wie er stünde, wenn die vertraglichen Vereinbarungen auf der Nutzungsebene nicht abgeschlossen worden wären und er unverändert sein Nutzungsrecht ausüben würde (BFH v. 17.12.2003 – IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648 = ErbStB 2004, 173 [Messner]).
Die unentgeltliche Bestellung eines Nießbrauchsrechts an einem Mietwohngrundstück zugunsten eines minderjährigen Kindes stellt jedoch keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO dar, sondern führt zur Zurechnung der Vermietungseinkünfte beim Kind, wenn das Nießbrauchsrecht zivilrechtlich wirksam bestellt und tatsächlich durchgeführt wird, insb., wenn das Kind, vertreten durch die Eltern, als Vermieter auftritt (BFH v. 25.4.1995 – IX R 41/92, BFH/NV 1996, 122). Denn es steht Eltern frei, zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder sie ihm – auch befristet – die Einkunftsquelle selbst übertragen, ohne dass dies den Bereich des Gestaltungsmissbrauchs tangiert (FG Baden-Württemberg v. 13.12.2016 – 11 K 2951/15, EFG 2017, 965 = ErbStB 2017, 201 [Günther]).
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BFH v. 20.6.2023 – IX R 8/22, BFH/NV 2023, 1308 = ErbStB 2023, 349 [Halaczinsky]. Das FG Berlin-Brandenburg hatte als Vorinstanz mit Urt. v. 21.3.2022 – 16 K 4112/20, EFG 2022, 1892 = ErbStB 2022, 359 [Günther], Gestaltungsmissbrauch in einem Fall angenommen, in dem es um die Bestellung eines zeitlich begrenzten Nießbrauchs zugunsten minderjähriger Kinder an einem langfristig an die elterliche GmbH vermieteten Grundstück ging. Dagegen hat der BFH die Nießbrauchsbestellung steuerlich anerkannt und entschieden, dass die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchsrechts nicht missbräuchlich i.S.v. § 42 AO ist, wenn dem Zuwendenden, von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen, kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht. Dabei stellte der BFH heraus, dass es dahinstehen kann, ob zwischen den Eltern der Kinder als Vermieter und der jeweils nur von einem Elternteil beherrschten GmbH überhaupt ein persönliches Näheverhältnis zu bejahen wäre. Ergibt sich in einem solchen Fall bei einer Gesamtbetrachtung ein steuerlicher Vorteil, so ist dies die Folge des steuerlich anzuerkennenden Sachverhalts und insofern "gesetzlich vorgesehen". Auch erwächst den Eltern der Kinder, von der Verlagerung der Einkünfte abgesehen, gegenüber der Zuwendung von versteuertem Einkommen kein weiterer steuerlicher Vorteil. Vor diesem Hintergrund brauchte der BFH die vom FG aufgeworfene Frage nicht zu vertiefen, ob die GmbH im Verhältnis zu den Kindern oder den Eltern eine fremde Dritte war.
Bestellen Eltern ihren Kindern unentgeltlich ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück und lösen sie das Nießbrauchsrecht vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit gegen Zahlung eines Ablösungsbetrages ab, kann hierin jedoch Gestaltungsmissbrauch zu sehen sein mit der Folge, dass die Ablösungszahlung nicht zu Anschaffungskosten führt, sondern als Unterhalt zu werten ist (BFH v. 6.7.1993 – IX R 112/88, BStBl. II 1998, 429).