[Ohne Titel]
StB Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther
Eine als freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 ErbStG zu wertende Schenkung kann neben einer Schenkungsteuerpflicht in anderen Steuerbereichen (insb. im Bereich der Einkommensteuer) unangenehme Rechtsfolgen auslösen, wenn sie als Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) angesehen wird und dadurch das angestrebte einkommensteuerliche Ergebnis nicht erreicht wird. Der nachfolgende Beitrag geht anhand von Beispielen aus der Rspr. auf diese Problematik ein, die bereits bei der Planung entsprechender Gestaltungen unbedingt beachtet werden sollten.
1. Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO
Steuerpflichtige (Stpfl.) haben die Möglichkeit, ihre Rechtsverhältnisse i.R.d. Steuergesetze frei zu gestalten. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, sich für die günstigste, die niedrigste Steuerbelastung gewährende Gestaltung zu entscheiden. Die Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze jedoch in § 42 AO, wonach ein Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden kann.
§ 42 Abs. 1 AO stellt zunächst klar, dass entsprechende Missbrauchsverhinderungsregelungen in den Einzelsteuergesetzen der allgemeinen Regelung in § 42 AO vorgehen. Sodann definiert § 42 Abs. 2 AO Gestaltungsmissbrauch als unangemessene rechtliche Gestaltung, die beim Stpfl. oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Ist dies der Fall, muss im nächsten Schritt geprüft werden, ob die vom Stpfl. gewählte Gestaltung unangemessen ist. Unangemessenheit liegt vor, wenn eine Gestaltung von verständigen Dritten unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden wäre.
Beraterhinweis Die Angemessenheit einer Gestaltung steht insb. dann im Focus der Finanzverwaltung, wenn sie ohne Berücksichtigung der beabsichtigten steuerlichen Effekte unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig erscheint. Dies wird häufig bei Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen problematisiert.
Ist eine Gestaltung unangemessen, entsteht der Steueranspruch in der Höhe, in der er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO). Allerdings hat der Stpfl. nun die Möglichkeit nachzuweisen, dass für die von ihm gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe vorlagen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).
2. Unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen, insb. von Grundstücken
a) Kein Gestaltungsmissbrauch in Fällen des § 23 EStG
Wird ein Grundstück schenkweise übertragen, hat dies neben der schenkungsteuerlichen Komponente auch einkommensteuerliche Rechtsfolgen, sofern das Grundstück der Einkünfteerzielung dient, ohne dass dies gestaltungsmissbräuchlich wäre. Dies hat der BFH auch für den Bereich des § 23 EStG (steuerpflichtige Grundstücksveräußerungen) mit Urt. v. 23.4.2021 – IX R 8/20, BStBl. II 2021, 743 = ErbStB 2021, 297 [Rothenberger], klargestellt.
Im Streitfall hatte die Stpfl. im Jahr 2011 ein Grundstück erworben. In 2012 übertrug sie das Eigentum an ihrem Grundstück unentgeltlich jeweils zu hälftigem Miteigentum auf ihren volljährigen Sohn und ihre volljährige Tochter. Diese veräußerten noch am selben Tag das Grundstück an einen Dritten. Der Kaufpreis wurde je zur Hälfte an die Kinder ausgezahlt. Die Verkaufsverhandlungen mit dem Erwerber waren allein von der Stpfl. geführt worden.
Der BFH entschied, dass ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO), der zur Entstehung des Steueranspruchs aus der Veräußerung des Grundstücks bei der Klägerin führen könnte, im Streitfall nicht vorliegt. Denn die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an einen Dritten, der das Grundstück sodann innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG veräußert, unterfällt dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und stellt daher ungeachtet der zeitlichen Nähe zwischen Übertragung und Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.
Beraterhinweis Greift § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift. Daneben kommt die Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 AO und die daran anknüpfende Rechtsfolge in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO grundsätzlich nicht in Betracht. Denn bei § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG handelt es sich um eine Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient und damit um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.d. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO.
b) Rechtsprechungsbeispiele für die Annahme von Gestaltungsmissbrauch
- Verkaufen Eltern ein Grundstück an ihr Kind und versprechen sie gleichzeitig, ihm einen bestimmten Geldbetrag zu schenken, kann dies gestaltungsmissbräuchlich sein mit der Folge, dass die Aufrechnung mit der Forderung aus dem Schenkungsversprechen gegen die Kaufpreisfor...