Überträgt ein Ehegatte Anteile an einer GmbH an den anderen Ehegatten zum Nennwert, obschon er bereits zu diesem Zeitpunkt beabsichtigt, die GmbH-Anteile zu einem möglichst günstigen (jedenfalls nicht unter dem Nennwert liegenden) Preis zu veräußern, um damit die Entstehung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG zu verhindern, kann dies gestaltungsmissbräuchlich sein (BFH v. 14.6.2005 – VIII R 37/03, BFH/NV 2005, 2161).
Verschenkt der Aktionär einer AG an seine minderjährigen Kinder jeweils fünf Aktien und veräußern diese jeweils zwei Aktien an einen dritten Erwerber, genügt ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Schenkung und Veräußerung allein nicht, um von einer gestaltungsmissbräuchlichen Zwischenschaltung der Kinder auszugehen, wenn nicht festgestellt ist, dass der Verkauf der Aktien vor der Schenkung bereits verhandelt und beschlossen war (BFH v. 17.4.2018 – IX R 19/17, BFH/NV 2018, 1081).
Die Herbeiführung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG stellt grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO da, da sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht (BFH v. 7.12.2010 – IX R 40/09, BStBl. II 2011, 427 = AO-StB 2011, 103 [Nieland]).
Vorsicht ist jedoch geboten, wenn ein rechnerischer Verlust nur dadurch entsteht, dass die Beteiligten einen unzutreffenden, die Wertverhältnisse des zur Veräußerung bestimmten Kapitalgesellschaftsanteils in krasser Weise verfehlenden Kaufpreis vereinbaren. Der BFH hat hier im Fall einer wechselseitigen Anteilsveräußerung (sog. Anteilsrotation) Gestaltungsmissbrauch angenommen (BFH v. 20.9.2022 – IX R 18/21, BStBl. II 2023, 315 = EStB 2023, 89 [Schimmele]).
Im entschiedenen Streitfall veräußerten zwei Gesellschafter einer GmbH ihre Beteiligung jeweils überkreuz. Hierbei vereinbarten sie jeweils einen identischen und weit unter den Anschaffungskosten und dem Verkehrswert liegenden Veräußerungspreis. Durch den hierdurch generierten Veräußerungsverlust und die daraus folgenden Steuererstattungen sollten die noch valutierten Darlehen aus der Finanzierung des ursprünglichen Anteilskaufs zurückgeführt werden.
Der BFH entschied, dass die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien die jeweilige Übertragung ihres Anteils unter Wert nur deshalb vorgenommen hätten, weil sie im Gegenzug hierfür (zivil-)rechtlich zwar einen "anderen", wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben. In diesem Fall entsteht der "Verlust" nicht durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende Wertminderung, sondern rechtsmissbräuchlich durch einen Verkauf von Anteilen weit unter Wert.