Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Rückforderung von Kindergeld bei Unkenntnis des Kindergeldberechtigten vom Abbruch der Berufsausbildung durch volljähriges Kind
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Familienkasse zu Recht von der Klägerin das Kindergeld für ihren im März 1986 geborenen Sohn A für den Zeitraum Oktober 2004 bis November 2006 und für Januar 2007 zurückfordert. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Aufgrund einer Ausbildungsbescheinigung der Firma ... vom 2. März 2004 zahlte die Familienkasse der Klägerin für den streitigen Zeitraum das Kindergeld. Mit Schreiben vom 25. März 2007 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass sie vor kurzem die Information erhalten habe, dass ihr Sohn bereits am 30. September 2004 die Ausbildung beendet habe. Daraufhin hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum Oktober 2004 bis November 2006 und für Januar 2007 auf und forderte das gezahlte Kindergeld in Höhe von 4.158,00 EUR von der Klägerin zurück.
Den Einspruch der Klägerin wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 zurück. Dies wurde wie folgt begründet:
Im vorliegenden Fall habe das Kind zwar ein Ausbildungsverhältnis begonnen und habe sich damit in einer Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) befunden. Das Ausbildungsverhältnis sei jedoch am 30. September 2004 beendet worden. Eine weitere Berufsausbildung für die Zeit danach liege nicht vor bzw. sei nicht nachgewiesen worden.
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG würden Kinder bis zum vollendeten 21. Lebensjahr berücksichtigt, die als Arbeitssuchende bei einer inländischen Agentur für Arbeit gemeldet seien. Eine Berücksichtigung nach dieser Vorschrift sei nicht möglich, da das Kind im streitigen Zeitraum weder bei einer Agentur für Arbeit noch bei einem anderen für Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet gewesen sei.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin Folgendes geltend:
Ihr volljähriger Sohn, der nicht mehr in ihrem Haushalt lebe, habe eine Berufsausbildung absolviert. Bei Beantragung des Kindergeldes durch die Klägerin hätten die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld unstreitig vorgelegen. Durch einen Zufall habe die Klägerin erhebliche Zeit später erfahren, dass ihr Sohn A die begonnene Berufsausbildung abgebrochen habe, ohne jemanden aus der Familie zu informieren. Weder der Bruder von A noch sein Vater noch die Klägerin hätten von der Beendigung der Ausbildung gewusst. Ganz im Gegenteil: Sämtliche Befragungen der Klägerin an ihren Sohn, wie denn die Ausbildung laufe und ob alles in Ordnung sei, seien positiv und bestgelaunt von dem Sohn beantwortet worden. Dies sei sogar soweit gegangen, dass der Sohn A die Klägerin und deren Ehemann zur Freisprechung eingeladen habe.
Unstreitig seien die Angaben der Klägerin richtig und vollständig gewesen. Die Änderung der Situation ihres Sohnes A habe sie nicht mitteilen können, weil sie nicht gewusst habe, dass dieser die Ausbildung abgebrochen habe. Der Gesetzgeber habe eine so genannte Kinderfalle aufgebaut, in die die Klägerin ohne ihr Verschulden hineingeraten sei. Der Gesetzgeber habe die Eltern als Anspruchsberechtigte des Kindergeldes ausgewählt. Bei volljährigen Kindern seien die Eltern jedoch zur Weiterleitung des Kindergeldes an das volljährige Kind verpflichtet. Veränderungen beim volljährigen Kind, die die Eltern gar nicht wissen könnten, würden zum plötzlichen Wegfall von Anspruchsvoraussetzungen führen. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II gebe es sogar konkrete Anweisungen zum Verhältnis von Kindergeld. Dort heiße es: "Bei volljährigen Kindern, die nicht im Haushalt der Eltern leben, ist abzuklären, ob die Eltern das Kindergeld für sie beziehen. Ist dies der Fall, ist das volljährige Kind aufzufordern, von den Eltern die Weiterleitung des Kindergeldes an sich selbst zu verlangen, gegebenenfalls einen Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes gemäß § 74 EStG zu stellen." Der Staat würde die Eltern sogar auffordern, Kindergeldanträge zu stellen und die Weiterleitung des Kindergeldes an die Kinder zu veranlassen. Die Klägerin habe das Kindergeld in voller Höhe an ihren Sohn ausgezahlt. Sie habe das Geld also nicht mehr und schon gar nicht für sich selbst verbraucht. Zwar habe die Klägerin einen Auskunftsanspruch gegen ihren Sohn. Diesen habe sie auch geltend gemacht. Der Sohn habe die Klägerin aber belogen. Daraus resultiere theoretisch ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Sohn. Dieser sei jedoch nicht durchsetzbar, weil der Sohn über keinerlei relevante vollstreckbare Einkünfte verfüge.
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