Revision eingelegt (BFH V R 60/14)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit einer von einem Zahnarzt durchgeführte Zahnaufhellung
Leitsatz (redaktionell)
Die von einem Zahnarzt durchgeführte Zahnaufhellung - sog. Bleaching - ist umsatzsteuerfrei, soweit sie dazu dient, einen aufgrund einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelten Zahn aufzuhellen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die von einem Zahnarzt/einer Zahnärztin durchgeführte Zahnaufhellung - das sog. Bleaching -, soweit sie dazu dient, einen aufgrund einer Krankheit und einer Behandlung nachgedunkelten Zahn aufzuhellen, gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - umsatzsteuerfrei ist.
Die Klägerin ist eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in der Gesellschaftsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -, die von den Zahnärzten A und B betrieben wird und in den Streitjahren sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze erzielte. Bei einigen Patienten der Klägerin wurde eine Zahnaufhellung - ein Bleaching - einzelner Zähne durchgeführt und in Rechnung gestellt. Die Entgelte für diese Leistungen betrugen im Streitjahr 2005 in Summe 429,00 € netto und im Streitjahr 2007 in Summe 339,00 € netto.
Das Bleaching im zahnärztlichen Bereich erfolgt dergestalt, dass ein dafür vorgesehenes Bleichmittel in bzw. auf einen Zahn ein- bzw. aufgebracht wird und sich infolge der Wirkungsweise des Bleichmittels das optische Erscheinungsbild des behandelten Zahnes aufhellt. Eine derartige Bleaching-Behandlung kann einerseits - ohne darüber hinausgehende Veranlassung - aufgrund des individuellen Wunsches eines Patienten erfolgen, seinen gesunden Zähnen ein vom natürlichen Aussehen der Zähne abweichendes, helleres Erscheinungsbild vermitteln bzw. etwaigen Verfärbungen bspw. durch Rotwein, Tee oder Nikotin entgegenzuwirken.
Die streitgegenständlichen Bleaching-Behandlungen erfolgten dagegen nach Abschluss einer zahnärztlichen Behandlung (Wurzelkanal-Behandlung), welche aufgrund einer Vorerkrankung (Wurzelerkrankung) bzw. eines Unfalls (beides im Weiteren: Vorschädigung) erforderlich wurde. Die jeweilige Folge der Vorschädigung und der aufgrund der Vorschädigung vorgenommenen Behandlung lag darin, dass der jeweils betroffene Zahn nervtot wurde und - was eine insoweit nicht unübliche Folge darstellt - infolge dessen nachdunkelte. Durch die Bleaching-Behandlungen wurde demzufolge nicht das Gesamterscheinungsbild sämtlicher Zähne des Patienten verändert, sondern der infolge der Vorschädigung und Behandlung eingetretenen Verdunkelung begegnet. Dabei wurden die Maßnahmen nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Vorschädigung und vorangegangenen zahnärztlichen Behandlung durchgeführt. Zwischen der vorangegangenen Behandlung und dem Bleaching lag vielmehr jeweils ein Zeitraum von wenigen Monaten bis zu maximal 2 Jahren. Da das Bleaching somit nicht unmittelbar im zeitlichen Rahmen der vorangegangenen Behandlung erfolgte, wurde der - nach Abschluss der Vorbehandlung verschlossene - Zahn (erneut) geöffnet und das Bleichmittel sodann in den Zahn ein- und auf den Zahn aufgebracht.
Die Klägerin behandelte die vorgenannten Leistungen in ihren am 17. November 2006 und am 8. September 2008 beim Finanzamt eingegangenen Steuererklärungen 2005 und 2007 als gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Das Finanzamt stimmte den Erklärungen zu.
In der Zeit vom 19. April 2009 bis 12. März 2010 führte das Finanzamt bei der Klägerin mit Unterbrechungen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin auf ihrer Homepage u. a. die ästhetische Zahnheilkunde als einen ihrer Tätigkeitsschwerpunkte beschrieb und Entgelte für die Zahnaufhellung nervtoter Zähne als umsatzsteuerfrei behandelte. Denn nervtote Zähne würden nach einer Wurzelfüllung häufig dunkler. Deshalb würden sie von innen heraus durch ein Bleichmittel, das in den Zahn eingebracht werde, aufgehellt. Dazu müsse die Wurzelfüllung dicht, also die Wurzelbehandlung erfolgreich abgeschlossen sein, damit das Bleichmittel nicht in den Wurzelkanal gelangen könne. Der Prüfer sah in den streitgegenständlichen Bleaching-Behandlungen umsatzsteuerpflichtige Leistungen in Höhe von 429,00 € netto (2005) und 339,00 € netto (2007).
Mit den angegriffenen Steuerbescheiden vom 27. April 2010 setzte das Finanzamt diese Prüfungsfeststellung - neben weiteren, hier nicht streitigen Feststellungen - um.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 4. Mai 2010 beim Beklagten eingegangenen Einspruch. Zur Begründung trug sie unter Einbeziehung ihrer Schreiben vom 2. September 2009, vom 19. Oktober 2009 und vom 17. Dezember 2009 vor, dass die streitigen Behandlungen der Zahnärzte keine rein kosmetischen Leistungen, sondern medizinisch notwendige Behandlungen gewesen seien. Das Ziel der zahnärztlichen Tätigkeit sei die Wiederherstellung des Zahnes oder des Zahnsystems in seinen Urzustand. Die...