Revision eingelegt (BFH III R 49/19)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwingende Nachversteuerung nicht entnommener Gewinne im Falle eines so genannten Entnahmeüberhangs
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem Wortlaut des § 34 a Abs. 4 Satz 1 EStG und dem systematischen Zusammenhang zu § 34 a Abs. 3 EStG ergibt sich, dass im Falle eines so genannten Entnahmeüberhangs (Übersteigen des positiven Saldos der Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres über den in diesem Jahr ermittelten Gewinn) zwingend eine Nachversteuerung vorzunehmen ist, soweit ein nachversteuerungspflichtiger Betrag nach § 34 a Abs. 3 EStG zum Ende des vorangegangenen Zeitraums festgestellt wurde. Aus der gesetzlichen Regelung in § 34 a EStG ergibt sich implizit die im BMF-Schreiben vom 11. August 2008 (BStBl. I 2008, 838 Rz. 29) vorgesehene Verwendungsreihenfolge.
2. Anhaltspunkte für ein Wahlrecht des Betriebes oder Mitunternehmers, bei vorhandenen nicht entnommenen Altgewinnen aus vorangegangenen Jahren, für die die Tarifbegünstigung nach § 34 a Abs. 1 EStG nicht in Anspruch genommen wurde, eine Verrechnung des Entnahmeüberhangs zunächst mit diesen Gewinnen vorzunehmen und damit eine Nachversteuerung nach § 34 a Abs. 1 EStG zu vermeiden, ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung nicht.
3. Die Regelung in § 34 a Abs. 4 EStG verstößt - auch bei vorhandenen thesaurierten Altgewinnen, für die eine Tarifbegünstigung nicht in Anspruch genommen wurde - weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Gebot der Normenklarheit (Bestimmtheitsgebot).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; EStG § 34a Abs. 1, 3-4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Streitjahr (2016) eine Nachversteuerung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 a Abs. 4 EStG auch dann vorzunehmen ist, wenn nicht entnommene so genannte "Altgewinne" aus Veranlagungszeiträumen vor Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung nach § 34 a EStG vorhanden sind.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide Kläger erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, insbesondere aus Beteiligungen.
Der Kläger war im Streitjahr und in den Vorjahren alleiniger Kommanditist der A GmbH & Co. KG (im Folgenden KG). Sein fester Kapitalanteil betrug ausweislich des Jahresabschlusses 2016 xxx.xxx,xx €, das Rücklagenkonto des Kommanditisten wies dort einen Betrag von x.xxx.xxx,xx € aus. Die Bilanzsumme der KG betrug im Streitjahr xx.xxx.xxx,xx €.
Der Kläger nahm für nicht entnommene Gewinne bei der KG in den Jahren ab 2008 mehrfach die Tarifbegünstigung des § 34 a EStG in Anspruch. Insgesamt beliefen sich die nicht entnommenen Gewinne, für die eine Begünstigung nach § 34 a EStG beantragt wurde, bis zum Jahr 2015 auf 1.686.000,00 €. Mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2019 wurde zuletzt der nachversteuerungspflichtige Betrag für den Mitunternehmeranteil des Klägers bei der KG nach § 34 a Abs. 3 EStG auf den 31. Dezember 2015 in Höhe von 1.123.868,00 € festgestellt.
Im Streitjahr 2016 betrugen die Entnahmen des Klägers bei der A GmbH & Co. KG 1.716.371,00 €, die Einlagen 94.060,00 € und der Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG 1.602.316,00 €. Hieraus ermittelte das Finanzamt einen Nachversteuerungsbetrag für 2016 in Höhe von 19.995,00 €. Im Einkommensteuerbescheid vom 14. Dezember 2017 setzte der Beklagte nach § 34 a Abs. 4 EStG - ausgehend von einem Steuersatz von 25 % - für diesen Betrag eine Steuer in Höhe von 4.998,00 € an.
Gegen den ESt-Bescheid vom 14. Dezember 2017 legten die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 Einspruch ein. Zur Begründung machten sie geltend, dass kein Nachversteuerungstatbestand gegeben sei, da vor der Thesaurierung nicht entnommenen "Altgewinne" in Höhe von rund 2,3 Millionen € vorhanden gewesen seien. Für diese Altgewinne sei keine begünstigte Besteuerung beantragt worden. Deshalb könne es auch nicht zu einer Nachversteuerung kommen. Die gesetzlichen Regelungen zum Nachversteuerungsbetrag seien eindeutig und es ergebe sich keine Verwendungsreihenfolge dergestalt, dass die in Vorjahren voll versteuerten Gewinne nicht entnommen werden dürften, ohne eine Nachversteuerung des thesaurierten Betrages auszulösen. Die Regelung zur Nachversteuerung sollte die Personengesellschaften hinsichtlich thesaurierter Gewinne den Kapitalgesellschaften gleichstellen. Durch die zwangsweise durchgeführte Nachversteuerung der schon voll versteuerten Vorjahresgewinne würde dieses gesetzgeberische Ziel jedoch ad absurdum geführt. Warum sich eine Nachversteuerung ergeben solle, wenn der Steuerpflichtige Gewinne aus Vorjahren, die bereits voll versteuert, aber nicht ausgeschüttet worden seien, auskehre, sei im Gesetzestext nicht angesprochen. Zur Beachtung des Gesetzes müsse sich eine eindeutige Verwendungsreihenfolge im Sinne eines sogenannten Lock-In-Effekts für Altgewinne ergeben. Dies sei aber nicht der Fall.
Im Laufe des Einspruc...