Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit eines Kleingruppenbetreuers

 

Leitsatz (redaktionell)

Familienähnliche Betreuung nach § 34 SGB VIII:

Einem Vollzeit beschäftigten Betreuer, der die Kleingruppe alleinverantwortlich führt, können pro Jahr Lohnzuschläge für bis zu 110 Stunden Feiertags-, 630 Stunden Sonntags- und 600 Stunden Nachtarbeit auch ohne Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeit zu begünstigten Zeiten steuerfrei ausgezahlt werden.

 

Normenkette

EStG § 3b Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob vom Kläger an Betreuer von Kleingruppen gezahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (SFN-Zuschläge) nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), erkennt die Steuerfreiheit nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung nicht an und nimmt den Kläger als Arbeitgeber deswegen in Haftung.

Als Träger sozialpädagogischer Einrichtungen beschäftigt der Kläger unter anderem Betreuer von Kleingruppen, die nach Maßgabe des § 34 Sozialgesetzbuch - SGB - VIII (Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz) Hilfe zur Erziehung in familienähnlichen und sonstigen betreuten Wohnformen leisten. Die Kleingruppen bestehen aus bis zu fünf Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter. In Ausnahmefällen können auch junge Erwachsene zu einer Gruppe gehören. Die Betreuten leben mit dem Betreuer familienähnlich in häuslicher Gemeinschaft in einer Wohnung zusammen. Die Kinder und Jugendlichen kommen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, einige von ihnen haben strafbare Handlungen begangen. Sie unterliegen deshalb einer erhöhten Aufsichtspflicht, für deren Erfüllung der Betreuer verantwortlich ist.

Für jede Kleingruppe ist nach § 45 SGB VIII eine Betriebserlaubnis erforderlich, die für eine Betreuung „über Tag und Nacht" erteilt wird. Der namentlich im Antrag genannte Betreuer wird darin zu ständiger Anwesenheit auch an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit verpflichtet, sofern nicht vom Träger der Einrichtung eine Vertretung gestellt wird. Der Betreuer wird unterstützt durch Hilfskräfte, für die regelmäßig keine SFN-Zuschläge gezahlt werden. Erforderlich ist deshalb eine intensive und ständige Betreuung insbesondere an Wochenenden, Feiertagen und in den Abendstunden, weil die Kinder und Jugendlichen zu diesen Zeiten nicht durch andere Personen (z. B. Schule) beaufsichtigt werden. Der Dienst der Betreuer erstreckt sich weitgehend auf diese Zeiten. Können die Betreuer ihren Dienst nicht verrichten, müssen sie die Dienststellenleitung benachrichtigen, die für eine geeignete Vertretung sorgt. Die Dienststellenleitung überzeugt sich davon, dass die Betreuer zu den erforderlichen Zeiten ihre Versorgungs- und Aufsichtspflichten tatsächlich erfüllen.

Der Kläger schließt im eigenen Namen mit den Betreuern formularmäßige „Dienstverträge“. In § 3 der Dienstverträge wird auf den ... Angestelltentarifvertrag verwiesen. Die tarifliche Arbeitszeit betrug im Streitjahr bei Vollzeitbeschäftigung 38,5 Stunden. Als Zusatzvergütung für SFN-Arbeit sieht § 35 Abs. 1 b), c), d) und f) Tarifvertrag Zeitzuschläge je Stunde vor. In schriftlichen Nebenabreden zu den Dienstverträgen ist die Anzahl der vergüteten SFN-Stunden entweder individuell geregelt oder es wird auf eine allgemeine Betriebsvereinbarung Bezug genommen. Dabei handelt es sich um Vereinbarungen zwischen der jeweiligen Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung. Auf die Anlagen 2 bis 10 zum Schriftsatz vom 20. September 2001 wird Bezug genommen

Nach der vom Kläger beispielhaft überreichten „Vereinbarung über die Dienst- und Betreuungszeiten in Kleingruppen des ..." vom 2. November 1988 orientiert sich die Betreuungszeit an den speziellen Bedürfnissen der Betreuten. Auf eine Festlegung der Arbeits- und Betreuungszeit im üblichen Sinne wird verzichtet. Sie obliegt dem Betreuer nach Genehmigung durch die Heimleitung. Anstelle der Zeitzuschläge nach § 35 Abs. 1 b) bis d) und f) Tarifvertrag erhält der Mitarbeiter wegen dieser besonderen Situation eine zusätzliche pauschalierte Vergütung für die tatsächlich geleistete SFN-Arbeit. Die Höhe der Pauschale ist in einem Nachtrag zur Dienstvereinbarung vom 2. November 1988 einer weiteren „Vereinbarung“ zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung vorbehalten. Nach dieser Vereinbarung, die ebenfalls auf den 2. November 1988 datiert ist, beträgt die Pauschale (für Sonntags- und Feiertagszuschläge) zwölf Stunden zum einfachen Stundensatz der jeweiligen Vergütungsgruppe und wird dreizehnmal im Jahr gezahlt, wobei die dreizehnte Zahlung als Teil des Weihnachtsgeldes in vollem Umfang der Lohnsteuer unterworfen wurde. Auf die Vereinbarung wird Bezug genommen.

Grundlage dieser Vereinbarung sind - nach den Angaben des Klägers - in Zusammenarbeit mit der Mitarbeitervertretung ermittelte Stundenzahlen, die von den Mitarbeitern über Jahre hinweg durchschnittlich mindestens tatsächlich geleistet worden sind. Ausgangspunkt war die an Sonn...

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